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1 Der Kampf um die Ostsee: Wie der Westen Russland den Meerzugang sperren will 15:15
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15:15Am 26. Dezember 2024 enterte die finnische Küstenwache den Tanker „Eagle S“. Er war mit Erdöl beladen aus dem russischen Hafen Ust-Luga ausgelaufen und auf dem Weg ins ägyptische Port Said. Die finnischen Behörden werfen der Crew, die aus georgischen und indischen Staatsbürgern besteht, vor, mit dem Anker des Schiffes das zwischen Estland und Finnland verlaufende Stromkabel „EstLink 2“ beschädigt zu haben. Der 20 Jahre alte Tanker fährt für ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten registriertes Unternehmen unter der Flagge der Cook Islands. Der Vorgang steht sinnbildlich für eine neue maritime Front, die die NATO im Kampf gegen Russland eröffnet hat. Von Hannes Hofbauer . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Vor zehn Jahren hatte derselbe Tanker – damals unter anderem Namen – vor der chilenischen Küste ein Verbindungskabel zu einem Terminal zerstört, was zum Auslaufen einer größeren Menge Rohöl führte. Im März 2024 wurden durch den sinkenden britischen Frachter Rubymar mehrere Unterseekabel im Roten Meer zerstört, was den digitalen Datentransfer stark beeinträchtigte. Zeitgleich fielen eine Reihe von Untersee-Glasfaserkabeln vor der Westküste Afrikas aus, ohne dass die Ursachen bekannt geworden wären. Schäden an Seekabeln sind also keine Seltenheit, ganz im Gegensatz zur Kaperung von Schiffen, insbesondere in der Ostsee. Das Verschleppen der „Eagle S“ durch staatliche Organe auf den finnischen Ankerplatz Svartbäck ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Es könnte der Auftakt einer neuen, maritimen Front im Kampf der NATO gegen Russland sein. In der Auseinandersetzung um offenen Meerzugang kann Russland übrigens auf eine 550-jährige Geschichte zurückblicken. Vom EU-Ölpreisdeckel zur russischen Schattenflotte Es begann mit dem 6. Sanktionspaket. In diesem hatte die EU-Kommission am 3. Juni 2022 – wie immer ohne Befassung der nationalen Parlamente – ein Verbot beschlossen, „Rohöl und bestimmte Erdölerzeugnisse, die ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt wurden, unmittelbar oder mittelbar zu kaufen, einzuführen oder in Mitgliedstaaten zu verbringen sowie ein Verbot der Versicherung oder der Rückversicherung des Transports dieser Güter auf dem Seeweg in Drittländer.“[ 1 ] Nach einer Übergangsfrist ist diese Maßnahme im Dezember 2022 in Kraft getreten. Funktioniert hat sie nicht, vor allem deshalb, weil die Kontrolle, wohin russisches Erdöl geliefert wurde, nicht gelungen ist und wohl auch nicht gelingen kann. Und Versicherungsverbote sind auf dem Weltmarkt der Versicherer von Brüssel aus auch nicht zu überwachen. Also versuchte man die Sanktionsschrauben gegen russische Ölexporte stärker anzuziehen – und mehr Länder in den Wirtschaftskrieg gegen Moskau hineinzuziehen. Zusammen mit den G 7 gelang ein besonderer ökonomischer Schurkenstreich. Nach kurzen Verhandlungen verfielen Experten auf eine reichlich absurde Idee: Russisches Erdöl sollte auf dem Weltmarkt nur mehr verkauft werden dürfen, wenn der Preis 60 US-Dollar pro Barrel nicht überstieg, die polnische Regierung träumte sogar von 40 US-Dollar. Mit anderen Worten: für Energie aus Erdöl, sobald diese aus russischer Förderung stammte, wurde von den G 7 unter Führung der EU ein politischer Preis diktiert, den auch Indien, China, Indonesien und der Globale Süden einhalten müssten. Wer sich das ausgedacht hat, hätte bei der sowjetischen Fünfjahresplanung eine steile Karriere gemacht, in der kapitalistischen Wirklichkeit des unregulierten Weltmarktes glich der Plan einer Verhöhnung der allgemeinen Spielregeln. Entsprechend konnten die Folgen beobachtet werden, wenn z.B. ein indischer Tanker in Rotterdam anlandete und dort Erdöl in die Leitung pumpte, die nach Deutschland führte. Woher die Ladung stammte, war schwer zu bestimmen, sicherlich nicht aus Indien. Die russische Antwort auf den westlichen Ölpreisdeckel ließ nicht lange auf sich warten. Griechische und andere Reedereien warteten nur darauf, ihre Tanker unter allerlei bunten Flaggen mit russischem Öl zu befüllen, entweder direkt in den Häfen der Ostsee oder indem das Öl auf hoher See umgepumpt wurde. Geworden ist daraus in wenigen Wochen eine 600 Frachter umfassende Schattenflotte für Rohöl. Das entspricht ca. einem Viertel der weltweit vorhandenen Kapazitäten. Wie Konkurrenz gerade auch in diesem Fall unser Wirtschaftssystem belebt, beschreibt der stellvertretende Generalsekretär für maritime Angelegenheiten im estnischen Ministerium, Kaupo Läänerand, resigniert: „Als ein Land sich auf Druck der USA weigerte, Schiffe der Schattenflotte unter seiner Flagge zu registrieren, erklärte sich ein anderer Staat sofort bereit, diese Schiffe unter seine Jurisdiktion zu nehmen. Dadurch fließen Steuern und Gebühren, und es findet sich immer ein Land, das sich zur Aufnahme solcher Schiffe unter seine Jurisdiktion bereiterklärt.“[ 2 ] In Reaktion auf den Misserfolg agiert Brüssel wie gehabt nach dem Motto „mehr vom Gleichen“ und beginnt seit Dezember 2024, einzelne Tanker, denen sie die Umgehung der Sanktionen vorwirft – warum sollten sie sich auch an EU- bzw. G-7-Sanktionen halten? –, auf schwarze Listen zu setzen. Ihnen wird die Anlandung in Häfen der EU verboten. Mit dem 15. Sanktionspaket vom 16. Dezember 2024 wuchs diese Liste auf 79 Öltanker an. Sie fahren unter Flaggen von Panama, Russland, Singapur, Samoa, Barbados, Gabon, Swaziland, Cook Islands, Kamerun, Djibuti, der Komoren und vielen anderen.[ 3 ] Damit wurden etwas mehr als 10 Prozent der Schattenflotte von Brüssel identifiziert, wobei auch diese Zahl mit Vorsicht zu genießen ist. Die NATO rüstet sich in der Ostsee Am 21. Oktober 2024 eröffnete der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius das neue regionale NATO-Hauptquartier in Rostock. Dass die Umwandlung der Hanse-Kaserne zum künftigen Marinestützpunkt des transatlantischen Kriegsbündnisses in der Ostsee einen Bruch des Zwei-plus-Vier-Vertrages aus dem Jahr 1990 darstellt, focht die deutsche Seite nicht an; und die Vertragspartner aus den USA, Großbritannien und Frankreich könnten dies sogar als gelungene Provokation gegen Russland absichtlich forciert haben. Denn anstelle der im Artikel 5 des Vertrages verbotenen Stationierung ausländischer Streitkräfte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, also in Rostock, hätte das neue maritime NATO-Hauptquartier für die Ostsee ja auch in Gdańsk oder Kiel eröffnet werden können. Bereits zuvor fand im Juni 2024 mit „Baltops“ eines der größten Seemanöver der NATO in der Ostsee statt. 9.000 Soldaten trainierten als amphibische Kampftruppen mit 50 Schiffen und 80 Flugzeugen vom litauischen Klaipeda aus, wie der russischen Marine beizukommen ist und „die Kriegsführungspläne zur Verteidigung des euro-atlantischen Raumes“ in der Ostsee umgesetzt werden können, so Konteradmiral Craig Wood in einer Presseerklärung. Konkreter ging es dann ein halbes Jahr später zur Sache. Vom 2. bis 15. Dezember 2024 übten 2.000 Soldaten aus NATO-Ländern eine Blockade des finnischen Meerbusens. Offensichtliches Ziel der „Pikne“ (dt: „Blitz“) genannten Operationen war es, das Auslaufen von Schiffen aus Sankt Petersburg, Kronstadt und Ust-Luga zu kontrollieren bzw. im Ernstfall zu verhindern. Diesen Ernstfall sieht die NATO im Zusammenhang mit der Erdöl-Schattenflotte bereits als gegeben an. Vom 16. bis 17. Dezember 2024 fand dann im estnischen Tallinn ein Koordinationstreffen der Joint Expeditionary Force (JEF) statt, an dem das NATO-„Blitz“-Manöver analysiert und weitere strategische Maßnahmen zur Bekämpfung der russischen Schattenflotte erörtert wurden. Die JEF wurde unter britischer Dominanz im Anschluss an die Eingliederung der Krim in die Russländische Föderation gegründet und am NATO-Gipfel von Wales im September 2014 scharf gemacht. Ihr gehören neben Großbritannien und den USA Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Estland, Lettland, Litauen, Finnland, Schweden, Norwegen, Polen und – seit kurzem – auch Island an. Estlands Premierminister Kristen Michal erklärte zum Auftakt des JEF-Treffens, dass die russische Schattenflotte eine allgemeine Bedrohung darstelle, und zwar gleichermaßen für die Sicherheit der Ostsee und der Weltmeere, die Wirtschaft und die Umwelt; und deshalb, so fügte er hinzu, müssen koordinierte Schritte unternommen werden, um die russische Schattenflotte einzudämmern und Versuche zur Umgehung von Sanktionen zu verhindern. Dazu ist auch eine neue Idee aufgetaucht, nämlich die Anhaltung sämtlicher aus russischen Häfen auslaufenden Tankern zwecks Kontrolle ihrer Versicherungspapiere. Diese führen wegen der EU- und US-Sanktionen keine westlichen Versicherungsdokumente mit sich, sondern versichern sich in der Regel bei zentralasiatischen Unternehmen. Für einen Flaggenstaat, der eine solche Versicherung anerkennt, ist damit dem Seerecht Genüge getan. Genau dieses Seerecht soll nun, geht es nach der Europäischen Union, ausgehebelt werden. Als Mittel dazu könnte auch die Erweiterung der sogenannten „Anschlusszone“ in Anschlag gebracht werden. Der frühere estnische Außenminister Urmas Reinsalu brachte diese Maßnahme bereits Anfang 2023 ins Gespräch. Sie soll Estland eine Erweiterung seiner Hoheitsrechte auf bis zu 24 Seemeilen (44 Kilometer) entlang des finnischen Meerbusens ermöglichen. Eine solche „Anschlusszone“ ist nach dem Seerechtsübereinkommen der UNO grundsätzlich möglich, wiewohl in ihr nur Zollkontrollen erlaubt sind. Doch um internationale Verträge geht es den führenden baltischen und EU-europäischen Politikern schon längst nicht mehr. Sie wollen die russische Schattenflotte stoppen und in einem weiteren Schritt Russland vom Meerzugang abnabeln. Der aggressivste, Russland feindlich gesinnte baltische Kleinstaat Estland agiert dabei immer heftiger als treibende Kraft. Mit der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas stellt er auch diesbezüglich europäisches Spitzenpersonal. Die frühere estnische Ministerpräsidentin ist in Russland wegen „Schändung von Kriegsdenkmälern“ zur Fahndung ausgeschrieben, nachdem sie die Befreiungsdenkmäler der Sowjetarmee in ihrer Heimat allesamt schleifen hat lassen. 550 Jahre Kampf um freien Meerzugang Eine Konstante russischer Außenpolitik besteht darin, dem Binnenland einen eisfreien Meerzugang zu ermöglichen. Dafür kämpften und kämpfen russische Machthaber seit 550 Jahren. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erweiterte der damalige Moskauer Großfürst Iwan III. seinen Einflussbereich beträchtlich. Mit der Einnahme der Republik Novgorod im Jahr 1478 sah ein russischer Herrscher, der sich darob zum Zaren ausrufen ließ, erstmals die Ostsee, und zwar genau dort, wo heute der Leningrader Oblast liegt. Damals stieß der russische Vormarsch auf den Deutschen Orden, der im benachbarten Baltikum einen Staat errichtet hatte. Der Kampf um die Ostsee dauert seither an. Der Zugang zur Ostsee war auch der strategische Schlüssel im Nordischen Krieg, in dem sich Anfang des 18. Jahrhunderts über 20 Jahre lang Schweden und Russland gegenüberstanden. Der damalige russische Zar, Peter der Große, galt in Europa als Reformer und war auch deshalb in Herrscherkreisen freundlich angesehen, weil er eine zweite Front gegen die Osmanen im Asowschen Meer eröffnet hatte. Auf westliche Unterstützung für sein Vorhaben, einen Zugang zum Schwarzen Meer zu erlangen, konnte er allerdings nicht zählen. Russische Häfen sah das Schwarze Meer erst nach dem Frieden von Kütschük Kainardschi, der im Juli 1774 den sechsjährigen russisch-türkischen Krieg beendete. Die Annexion des Krim-Khanats durch Truppen Katharina II. war die Folge und auch der freie Schiffverkehr durch die Dardanellen ins Mittelmeer fußt auf der osmanischen Niederlage. Übrigens wusste auch die Habsburgermonarchie aus der Schwäche der Hohen Pforte Profit zu schlagen und verleibte sich zu diesem Zeitpunkt die Bukowina ein. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde jahrelang zwischen Russland und der mittlerweile unabhängigen Ukraine über das weitere Schicksal der Schwarzmeerflotte und die Nutzung der Marinestützpunkte in Sewastopol auf der Krim verhandelt. Erst ein zwischen Moskau und Kiew am 31. Mai 1997 abgeschlossener Freundschaftsvertrag schuf Klarheit. Man einigte sich auf eine militärische Nutzung des Hafens durch die russische Flotte über Pachtkosten, die mit der Lieferung von russischem Gas in die Ukraine ausgeglichen wurden. Dieser „Flottenvertrag“ wurde 2010 verlängert und sollte eine Gültigkeitsdauer bis 2017 haben. Unter der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko erklärte das Kiewer Außenministerium im Oktober 2008, dass es einer in Vorbereitung befindlichen Verlängerung des Flottenvertrages auf keinen Fall zustimmen werde. Damit waren die Claims deutlich abgesteckt und Moskau war beunruhigt: eine NATO-orientierte Regierung würde Russlands Marinestützpunkt auf der Krim schließen. Nach dem verfassungswidrigen Regimewechsel im Februar 2014, mit dem der gewählte, Russland freundlich gesinnte Präsident Wiktor Janukowitsch aus dem Land gejagt wurde und der Wahlkampfmanager des west-orientierten Juschtschenko, Oleksandr Turtschynow, als Interimspräsident die Macht übernahm, schrillten in Moskau die Alarmglocken. Der Erhalt des Marinehafens in Sewastopol hatte oberste Priorität. Er wurde mit dem Unabhängigkeitsreferendum auf der Krim und in Sewastopol sowie der kurz darauf erfolgten territorialen Eingliederung der Halbinsel in die Russländische Föderation gesichert. Diese im Westen als Annexion bezeichnete Maßnahme wird bis heute als entscheidender Auslöser für den Ukrainekrieg gesehen – sowohl in Kiew als auch unter den Führern des transatlantischen Raums. Der russische Meerzugang im Süden über das Schwarze Meer ins Mittelmeer – nun freilich durch die unsichere Lage um das syrische Tartus gefährdet – steht damit im Mittelpunkt einer historischen geopolitischen Auseinandersetzung. Parallel dazu spitzt sich die Lage um den russischen Zugang zur Ostsee zu, der – wie oben beschrieben – von NATO-Staaten, insbesondere der kleinen estnischen Republik, behindert oder verhindert werden soll. Von Hannes Hofbauer ist zum Thema erschienen: „Im Wirtschaftskrieg. Die Sanktionspolitik des Westens und ihre Folgen. Das Beispiel Russland“, Promedia Verlag 2024 Titelbild: Shutterstock / Rainer Lesniewski Mehr zum Thema: Eröffnung des neuen Hauptquartiers für die NATO in Rostock: „Vereint stehen wir, vereint kämpfen wir“ OMV gegen Gazprom: Wie sich Österreich energiepolitisch selbst schadet Mit Kaja Kallas in den Krieg – Brüssels totaler Bruch mit Moskau „Deutschland … to the sea“ [ «1 ] eur-lex.europa.eu/eli/reg/2022/879/oj/deu [ «2 ] de.rt.com/europa/231227-provokation-in-ostsee-dient-blockade/ [ «3 ] eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/HTML/?uri=OJ%3AL_202403192…
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1 Sicherheit und Frieden für Europa von Europa – Voraussetzungen zur Rückgewinnung politischer Gestaltungskraft 11:43
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11:43Am 20. Januar wird D. Trump als der 47. US-Präsident der USA vereidigt werden. Welche Auswirkungen der zu erwartende Kurswechsel in den USA auf die europäischen Verbündeten haben wird, ist derweil nicht abschließend einschätzbar. Aber es ist unwahrscheinlich, dass alles so bleiben wird, wie wir es gewohnt sind. Und damit sind wir bei der Problematik der EU und Deutschlands. Die – und das muss man mit schonungsloser Klarheit auch so benennen – freiwillige Unterwerfung unter die US-Interessen bis hin zur Leugnung eigener europäischer sowie deutscher Interessen dürfte dem alten Kontinent nun auf die Füße fallen. Von Alexander Neu . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Wer die Interessen der EU und Deutschlands immer noch mit den US-Interessen gleichsetzt, führt die EU und Deutschland in den Abgrund. Die deutsche Wirtschaft bewegt sich irgendwo zwischen Rezession und Stagnation. Die Insolvenzquote im November 2024 liegt bei 12,6 Prozent und die im Oktober 2024 bei 22,9 Prozent im Vergleich zu den Vorjahresmonaten. Insgesamt scheint sich die tendenzielle Deindustrialisierung Deutschlands zu bestätigen. Als Grund wird der russische Krieg gegen die Ukraine genannt. Aber wie viel Überzeugungskraft besitzt diese Argumentation der Verantwortungsverschiebung unserer Probleme, oder besser gefragt: Wie viel Selbstverschulden mangels realistischen und strategischen Denkens steckt darin? Ja, Russland hat die Ukraine im Februar 2022 militärisch angegriffen, und diese Handlung ist eindeutig völkerrechtswidrig. Und dieser Krieg hat eine lange Vorgeschichte, was keine Entschuldigung sein darf für die Verantwortung Russlands, aber dennoch benannt werden muss, um die gesamte Dimension dieses Krieges sowohl zeitlich als auch räumlich zu verstehen: Denn der Krieg hat faktisch bereits 2014 begonnen. Dem Staatsstreich im Februar 2014 in Kiew liegt eben auch und besonders eine geopolitische Motivation zu Grunde: die Integration der Ukraine in die westliche Einflusszone. Und somit ist dieser Krieg eben auch eine besonders grausame Ausdrucksform der gegenwärtigen geopolitischen Neuvermessung der Welt. Europäische und deutsche Abhängigkeiten Der Angriffskrieg Russlands hat nicht zu einem Umdenken in der deutschen und der EU-Außen- und Sicherheitspolitik geführt, sondern den Weg der von den USA kreierten „regelbasierten Ordnung“, mithin der allein gültigen westlichen Ordnungsvorstellungen, sogar noch weiter geebnet: Zum einen, indem diplomatische Instrumente nicht mehr gedacht, sondern geradezu diffamiert werden; und zum anderen, indem die EU bzw. ihre Mitgliedsstaaten und besonders auch Deutschland seine souveränen Handlungsspielräume sogar noch weiter an die USA abgetreten und ihre nationalen Interessen weitgehend aufgegeben haben. Beispielhaft steht hierfür die gemeinsame Pressekonferenz des nun scheidenden US-Präsidenten J. Biden mit dem nun ebenfalls scheidenden Bundeskanzler O. Scholz zur Thematik Nord Stream 2 im Februar 2022: Regungslos stand der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland da und ließ sich coram publico erklären, dass bei einer weiteren Zuspitzung mit Russland die USA die Pipeline auf ihre Weise abschalten werden – wohlgemerkt ein deutsch-russisches Wirtschaftsprojekt. Und auf wundersame Weise explodierten im September 2022 drei der vier Stränge der Nord-Stream-Pipelines, und bis heute will nicht geklärt werden, wer tatsächlich diesen Angriff auf die deutsche Energiesouveränität zu verantworten hat. Insbesondere der weitgehende Importstopp günstiger russischer Energieträger ist eine zentrale Ursache für die hohen Energiekosten. Währenddessen erfreuen sich die USA der erhöhten deutsche Nachfrage nach US-Frackinggas. Die Preise liegen über den russischen Pipelinegaspreisen. Diese Preise sind neben den höheren Produktions- und Lieferkostenkosten auch mit der weitgehend einseitigen Ausrichtung auf die USA als Lieferant zu erklären. Wurde die einseitig energetische Abhängigkeit von Russland politisch und auch medial kritisiert, so ist über die nicht minder große einseitige Abhängigkeit von den USA plus höhere Kosten keine besondere politische oder mediale Debatte wahrnehmbar. Zwar berichtete im Januar 2024 der „Energieinformationsdienst“ über eine besorgte Stimmung in Europa hinsichtlich wachsender Unsicherheiten über die Lieferung von LNG aus den USA . Und ausgerechnet Wirtschaftsminister R. Habeck beklagte zuvor, nämlich im Oktober 2022, also kurz nach der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines, die „Mondpreise“ für LNG aus befreundeten Staaten, unter anderem aus den USA. Dass einem Wirtschaftsminister die Konsequenzen von quasi Monopolstrukturen mit einseitiger Abhängigkeitsausrichtung nicht klar sind, ist bereits mehr als befremdlich. Dass ihm indessen auch noch die alte politische Weisheit, wonach Staaten keine Freunde, sondern Interessen haben, wohl immer noch nicht bekannt ist, ist unfassbar. Etwas satirisch zusammengefasst lautet das Credo: Warum günstiges, zuverlässiges und relativ methan- und CO2-armes Pipelinegas aus Russland, wenn man auch teures, unzuverlässiges und methan- sowie CO2-reiches US-Frackinggas beziehen kann. Ein weiteres Beispiel der Abhängigkeit stellt der US-Nuklearschirm für die europäischen NATO-Staaten dar. Ich erinnere mich an eine Diskussion im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags, in der die Frage einer Annäherung an Frankreich mit Blick auf den Nuklearschirm einmal eine Rolle spielte. Die damalige Verteidigungsministerin A. Kramp-Karrenbauer erteilte der Überlegung nach mehr Frankreich und somit nach mehr europäischer Unabhängigkeit zugunsten einer fortgesetzten Unterordnung unter die USA eine klare Absage. Damit unterstütze ich keineswegs Nuklearwaffen für Deutschland oder für die EU. Deutlich wurde hier jedoch erneut, wie sehr man Politik auf militärisch basierte Sicherheitspolitik reduziert und diese militärisch basierte Sicherheit ausschließlich an die USA bindet. Folgt man prioritär diesem militärisch basiertem Sicherheitsverständnis, welches nahezu zwingend in Blockdenken enden muss, so unterwirft man sich der transatlantischen Bindung mit zunehmendem Verlust an souveränen Handlungsspielräumen. Folgt man hingegen einem offenem Sicherheitsverständnis, bei der die Diplomatie das prioritäre Instrument und das Ziel einer kollektiven Sicherheit im Zentrum stehen, so sind die Grundlagen für die Rückgewinnung der Souveränität für Europa gegeben. Kurzum: Stabilität durch Waffen und Abschreckung führt zu fortgesetzten Abhängigkeiten von den USA und somit faktischen Souveränitätseinbußen Europas. Stabilität durch Diplomatie, vertrauensbildenden Maßnahmen sowie Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen würde zu Souveränitätsgewinn der EU und Deutschlands führen, da die einseitigen Abhängigkeiten von den USA im gegenwärtigen Ausmaß wegfielen. Die selbstverschuldete Abhängigkeit von den USA begründet sich nicht nur in dem fatalen, militärisch basierten Sicherheitsverständnis, sondern auch in der Ideologie des Transatlantizismus. Dieser dominiert das Denken und Handeln in Politik und so manchen Medien mittlerweile in einer Art, die objektiv den deutschen Interessen und die der übrigen EU-Mitgliedsstaaten abträglich ist. Und nun kommt D. Trump am 20. Januar als Präsident zurück und signalisiert eine veränderte Prioritätensetzung mit Blick auf das transatlantische Verhältnis: weniger Europa (und Ukraine) und mehr Ostasien, insbesondere China. Die EU bewegt sich derweil irgendwo zwischen Schockstarre sowie außen- und sicherheitspolitischem Aktivismus. Dieser Aktivismus ist die Reaktion auf die selbstverschuldete Unfähigkeit, Sicherheit für Europa von Europa zu schaffen. Das Einzige, was den politischen Entscheidern einfällt, sind Aufrüstung und steigende Militärausgaben. Selbst wenn von strategischer Autonomie der EU geredet wird, bleibt ein Problem: Das Konzept ist gleichbleibend, nämlich die Fortsetzung der einfältigen, militärisch basierten Sicherheitspolitik. Keine Idee, kein Konzept zu einer nachhaltigen neuen Friedensordnung für Europa von Europa, die die EU zu einem echten souveränen Akteur mit Gestaltungspotenzial erheben könnte. Die EU besitzt nicht einmal die Kraft zur Regulierung innereuropäischer Konflikte – siehe die Nicht-Beilegung des Ukraine-Krieges. D. Trump wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das tun, wozu die EU nicht in der Lage ist: einen Waffenstillstand unter US-amerikanisch-russischen Bedingungen herbeiführen. Ob die USA auch die Friedensverhandlungen für die Europäer führen werden und die EU mit den Ergebnissen der Friedensverhandlungen – politische Konsequenzen und finanzielle Belastungen – in die Verantwortung entlassen werden oder ob die Trump-Administration der EU gesichtswahrend sogar die formalen Friedensverhandlungen in dem bereits von Washington und Moskau gesetzten engen Rahmen des Waffenstillstandes überhelfen, ist derzeit offen. Und über diese dann noch zu „gestaltenden Friedensverhandlungen“ in dem von den USA und Russland gesetzten Korsett besteht die Gefahr massiver Spannungen innerhalb der EU hinsichtlich der Fragen zur Finanzierung der Ukraine und des künftigen Verhältnisses zu Russland. So oder so, die EU wird faktisch als Zaungast die Entscheidungen für einen Waffenstillstand zwischen Washington und Moskau zähneknirschend hinnehmen müssen, da die Bedingungen für die russisch-ukrainische Konfliktregulierung weit von dem entfernt sein werden, was in EU-Europa seit 2022 propagiert wurde: Sieg der Ukraine. Befreiung vom ideologischen Überbau des Transatlantizismus Eine Entideologisierung der transatlantischen Beziehungen sowie eine Zurückholung europäischer und deutscher Souveränität heißt nicht, dass die Beziehungen zu den USA beeinträchtigt werden sollten – es wäre unpolitisch. Es heißt aber, dass diese Beziehungen von einseitig romantischer Lyrik befreit, durch eine rationale Brille betrachtet sowie auf eine gesunde Stufe gestellt werden – also Realpolitik statt wertebasierter transatlantischer Romantik, die mit D. Trump ohnehin nicht zu machen ist. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen für sich selbst Verantwortung übernehmen und eine multivektorale Außenpolitik praktizieren. Nur dann kann die EU als ein ernst zu nehmender Akteur in der sich neu formierenden multipolaren Welt einen Gestaltungsanspruch erheben. Titelbild: Shutterstock / saava_25 Mehr zum Thema: Deutsche Kriegstauglichkeit – Eine Betrachtung aus sicherheitspolitischer und verfassungsrechtlicher Perspektive Syrien – Die geopolitischen Folgen des Regime Change Zwei Kriege, zwei Narrative, null Lösung und eine Ursache EU-Europa – Realpolitik oder Ideologie?…
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1 Alles auf tot? „Was passiert wohl, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, dass hier ein gigantischer Betrug ablief.“ 23:30
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23:30Das Paul-Ehrlich-Institut „veröffentlicht“ insgeheim einen Datensatz zu den Nebenwirkungen der Corona-Vakzine. Die Liste umfasst nahezu eine Million Meldungen, darunter über 1.000 zu möglichen Todesfällen im Nachgang der Spritze. Ganz nebenbei liefert die Sammlung Nahrung für eine „Verschwörungstheorie“: Offenbar gab es weniger gefährliche und hochgradig toxische Chargen, was die Impfung mutmaßlich zu einem Roulettespiel machte. Und obwohl sich das Muster auch in anderen Staaten zeigte, wollte es die Bundesbehörde bisher für Deutschland nicht wahrhaben. Und jetzt? Fünf Professoren haben in einem Brief nachgefragt und warten auf Antwort. Im Interview mit den NachDenkSeiten verlangen zwei der Absender, Jörg Matysik und Tobias Unruh , umfassende Aufklärung. Mit ihnen sprach Ralf Wurzbacher . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Zu den Personen Jörg Matysik , Jahrgang 1964, ist Professor für Analytische Chemie und Molekülspektroskopie, Direktor des Instituts für Analytische Chemie der Universität Leipzig, Leiter des Aufbau-Studiums „Analytik & Spektroskopie“ und Sprecher eines Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Matysik schreibt den Blog: cidnp.net/blog . Tobias Unruh , Jahrgang 1967, ist Professor für Nanomaterialcharakterisierung am Institut für Physik der Kondensierten Materie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Gemeinsam mit drei weiteren Chemieprofessoren bemühen sich Matysik und Unruh seit bald drei Jahren, vom Herstellerunternehmen BioNTech sowie dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – zuständig für die Zulassung und Überwachung der Sicherheit von Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln in Deutschland – Informationen zu Eigenschaften, zur Qualitätskontrolle und zur möglichen Toxizität des Covid-19-Impfstoffs Comirnaty (BioNTech/Pfizer) zu erhalten. Ihre drei Mitstreiter sind: Prof. Gerald Dyker (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Andreas Schnepf (Universität Tübingen) und Prof. Martin Winkler (Zürcher Hochschule der angewandten Wissenschaften). Ralf Wurzbacher: Herr Matysik, Ende November hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) klammheimlich einen riesigen Datensatz zu den gemeldeten Nebenwirkungen im zeitlichen Zusammenhang mit einer sogenannten Corona-Impfung auf seiner Webseite publiziert . Die Sammlung umfasst praktisch den gesamten Zeitraum der Covid-19-Impfkampagne und ist schon deshalb von hohem öffentlichen Interesse. Wie wirkt es auf Sie, dass es keinerlei wahrnehmbare Verlautbarung seitens des PEI oder des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zu dem Vorgang gab? Jörg Matysik : Der Datensatz war nicht sehr professionell erstellt, und nicht die Experten des PEI haben ihn suchbar gemacht, sondern ein unbekannter Datenspezialist, der auf atwebpages.com eine Suchfunktion eingerichtet hat. Damit konnte ich etwa erkennen, dass auch die beiden Chargen, die mir verimpft wurden, nicht ungefährlich waren. Jedenfalls findet sich in der Datensammlung eine Vielzahl an schweren Nebenwirkungen mit weit über 1.000 Todesfällen, die zum Teil wenige Tage nach der Impfung aufgetreten sind. Zudem ist eine starke Häufung von gemeldeten Nebenwirkungen bei einzelnen Chargennummern, soweit diese zugeordnet werden können, zu verzeichnen. Man fragt sich, warum die Impfkampagne nicht sofort unterbrochen wurde. Es wäre für das PEI eine gesetzliche Pflicht gewesen, nicht nur die rohen Daten, sondern auch eine Interpretation der Öffentlichkeit vorzulegen. Schließlich legten Daten aus zahlreichen Ländern, die dänischen Daten sind am bekanntesten, tatsächlich nahe, dass einige Chargen besonders gefährlich waren. Das wäre ein Problem für die Qualitätssicherung und -kontrolle. Ein Medikament, das nicht ordentlich hergestellt werden kann, darf schließlich nicht auf den Markt. Die Covid-Impfstoffe kamen auf den Markt, in Rekordzeit. Man erinnere sich: Als Andreas Schöfbeck, Chef der Betriebskrankenkasse Provita, im Februar 2022 auf Warnsignale hinwies, wurde er aus der Politik zum Rücktritt gezwungen. Dabei hatte er das Robert Koch-Institut (RKI) nur an dessen gesetzliche Pflicht erinnert, den Krankenkassendaten nachzugehen. Bis heute ist das nach meiner Kenntnis nicht passiert. Man vergegenwärtige sich auch die Berichte der Pathologie-Professoren Arne Friedrich und Michael Mörz. Bei Obduktionen an geimpften Toten haben sie Dinge gesehen, vor allem Deformationen von Blutgefäßen, die in all den Jahren vor der Impfung nie beobachtet wurden. Tobias Unruh : Das Fehlen eines begleitenden Textes zu dem neuen Datensatz wirft die Frage auf, ob es bisher keine gründliche Auswertung der Daten gibt oder – falls doch – bewusst auf eine Veröffentlichung verzichtet wird. Beides wäre verwunderlich und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit des PEI unseres Erachtens abträglich. Daher haben wir uns mit entsprechenden Nachfragen an das PEI gewandt. Die Berliner Zeitung hat dazu vor Weihnachten berichtet. Dem großen Rest der deutschen Leitmedien ist besagte PEI-Veröffentlichung dagegen durchgerutscht. Was entgeht damit den Menschen im Land, was sie eigentlich interessieren sollte? Matysik : Das ist natürlich peinlich für diese Leitmedien: Über 1.000 vermutete Todesfälle, und der Bundesgesundheitsminister ist noch im Amt und nicht vor Gericht. Immerhin hatte er lange Zeit behauptet, die Impfung sei „nebenwirkungsfrei“. In der Politik könnten sich in den USA und auch bei uns bald neue Konstellationen bieten, die Aufklärung verlangen werden. Irgendwann werden auch unsere Medien mitmachen müssen – spätestens, wenn die damaligen Strippenzieher vor Gericht erscheinen müssen. Immerhin kommt bei den deutschen Gerichten nun langsam die Information an, dass das PEI und das RKI sie kräftig verschaukelt haben: Sie garantierten für Wissenschaftlichkeit, folgten aber wider besseres Wissen einer politischen Weisung. Mit bösen „Nebenwirkungen“ … Matysik : Wir alle haben doch gesehen, wie viele mehrfach geimpfte Menschen schwere Atemwegserkrankungen bis hin zu einer Lungenentzündung erleben mussten. Wir alle nehmen doch wahr, dass Sterblichkeit und Krankenstand hoch sind. Wir alle kennen doch Menschen, die – viel zu jung – massive Herzprobleme bekamen. Fast jeder kennt doch einen Menschen, mitten im Leben, plötzlich tot. Natürlich werden alle wissen wollen, was da jetzt los war. Es ist schwer vorauszusagen, was passiert, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, dass hier ein gigantischer Betrug ablief. Vielleicht werden sie, gerade die jungen, dann sehr kritisch, und das wäre ja gut. Wie groß fallen mithin die Abweichungen zwischen den Chargen aus? Matysik : Die dänische Arbeit hat die Chargen in drei Gruppen unterteilt, die bezüglich der Nebenwirkungen deutlich unterscheidbar sind. Aus zahlreichen anderen Ländern wurde dieses Muster bestätigt. Das PEI bestreitet aber, dass es ein solches Muster gibt, weil man nicht wisse, wie viele Impfungen mit einer bestimmten Charge durchgeführt wurden. Nun müsste das PEI sagen: Wir sind hier nicht unserer Pflicht nachgekommen, chargenabhängige Probleme zu monitoren. Stattdessen behauptet es dreist, es gebe keine Chargenabhängigkeit. Aber wie will man das wissen, wenn es doch keine Daten zur Anzahl der eingesetzten Impfungen pro Charge gibt? Das PEI könnte deshalb allenfalls sagen: Unsere gesetzliche Pflicht verletzend haben wir keine Möglichkeit, die Chargenabhängigkeit zu bestätigen oder zu verneinen. Aber das unterlässt die Behörde. Unruh : Wir sollten hier zunächst einmal klarstellen, dass wir keine Experten hinsichtlich medizinischer oder juristischer Aspekte von Impfnebenwirkungen sind. Wir sind – maßgeblich aufgrund der unserer Meinung nach völlig überzogenen und unangemessenen Corona-Maßnahmenpolitik von Bundes- und Landesregierungen sowie staatlichen Behörden – besorgte Bürger, aber auch aufmerksame Beobachter des weiteren staatlichen Vorgehens in dieser Sache. Dazu gehört unter anderem der Umgang des PEI mit Impfnebenwirkungen. In seiner Stellungnahme zu den erwähnten dänischen Daten mit dem Titel „Keine chargenbezogene Häufung von Verdachtsfallmeldungen zu Impfnebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen mit Comirnaty“ bezieht sich das PEI lediglich auf Daten, die es anhand der SaveVac-2.0-Beobachtungsstudie erhalten hatte. In dieser Studie wurden zunächst 1.179.877 Impfungen, sowohl Erst- als auch Zweitimpfungen, von 734.394 Personen registriert. Zu diesen Impfungen gab es unglaublich viele, nämlich 5.074.069 gemeldete unerwünschte Ereignisse. Dann wurde die Anzahl der per SafeVac-2.0-App gemeldeten unerwünschten Ereignisse nach Impfung gegen die Anzahl der an SafeVac-2.0-Studienteilnehmer verabreichten Impfdosen der jeweiligen Comirnaty-Chargen aufgetragen. Aus dieser Analyse ergibt sich in der Tat keine chargenabhängige Häufung von gemeldeten Nebenwirkungen. Allerdings kann anhand der pro Impfung extrem hohen Anzahl gemeldeter Nebenwirkungen – 4,3 Meldungen pro Impfung – vermutet werden, dass fast ausschließlich Personen mit Nebenwirkungen an der Studie teilgenommen haben. Wenn diese Annahme richtig ist, dann ist die vom PEI suggerierte Folgerung, dass es keine chargenbezogene Häufung von Verdachtsfallmeldungen zu Impfnebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen mit Comirnaty gibt, nicht stichhaltig. Denn die vorliegenden Daten beinhalten dann keine verwertbaren Informationen zu chargenabhängigen Häufungen von Verdachtsfallmeldungen. Bei den neuen Daten vom 28. November 2024 fehlt die Angabe, wie viele Impfungen pro Charge im fraglichen Zeitraum und Beobachtungsbereich – war es ganz Deutschland? – durchgeführt wurden, vollständig, was eine Aussage über eine spezifische Häufung gemeldeter Nebenwirkungen für bestimmte Chargen nicht gestattet. Der Düsseldorfer Anwalt Tobias Ulbrich, der Opfer von Impfschäden vor Gericht vertritt, hatte schon vor längerer Zeit eine Top-10-Liste der schadensträchtigsten Chargen ermittelt. Diese deckt sich nahezu eins und eins mit den Daten, die nun das PEI offengelegt hat. Dabei reichen die Häufigkeiten von Nebenwirkungen von einem einzigen Fall bis zu über 10.000 Fällen pro Charge. Ist also das, was gestern noch als „Verschwörungstheorie“ galt, heute praktisch amtlich? Matysik : Das ist in der Tat sehr bemerkenswert. Herr Ulbrich, den ich persönlich kennenlernen durfte, hat die Daten von zahlreichen Mandanten gesammelt. Nun zeigt sich, dass die Liste seiner Chargenabhängigkeit sehr gut mit der PEI-Liste zusammenpasst. Das PEI könnte nun antworten: Vielleicht sind diese Chargen am meisten verimpft worden, leider kamen wir unserer gesetzlichen Pflicht nicht nach und können das nicht belegen. Das allein ist schon skandalös. Die Übereinstimmung der PEI-Daten mit den Daten des Rechtsanwalts ist auf alle Fälle sehr verdächtig. Man darf also gerne vermuten, dass hier ein Problem vorliegt, eben weil die Qualitätskontrolle des PEI versagt hat. Im Klartext: Manche Chargen könnten gefährlicher beziehungsweise tödlicher als andere gewesen sein, was sich auch mit Befunden aus anderen Staaten – etwa Dänemark, den Niederlanden, Spanien und Tschechien – deckt. Herr Unruh, wollte man beim PEI die Gefahren nicht sehen? Unruh : Es bleibt abzuwarten, ob die fehlenden Daten zur chargenabhängigen Häufigkeit der Impfungen noch ermittelt werden können. Erst dann kann geklärt werden, ob die besondere Häufung von Nebenwirkungsmeldungen für bestimmte Chargen lediglich auf die hohe Zahl der Impfungen mit diesen Chargen zurückgeführt werden kann. Man weiß also bisher nicht mit Bestimmtheit, ob es gefährliche oder weniger gefährliche Chargen gab. Es wäre auch wichtig zu klären, was in diesem Zusammenhang als gefährlich oder gar tödlich angesehen wird. Aber zunächst geht es uns noch nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, eine Öffentlichkeit für offensichtlich ungeklärte Fragen bezüglich der Folgen der staatlichen Corona-Maßnahmen und Nötigung zur Corona-Impfung zu schaffen und mit dem PEI über eine transparente Eruierung der Faktenlage ins Gespräch zu kommen. Persönlich halte ich die mehr als zurückhaltende Informationspolitik des PEI hinsichtlich unserer zahlreichen Anfragen der letzten Jahre für äußerst unbefriedigend. Und das führt mittlerweile sicher nicht nur bei uns zu einem Misstrauen gegenüber der sachlichen Objektivität und dem Willen des PEI, die Unbedenklichkeit von Maßnahmen und Impfungen bezüglich der Gesundheit der Bevölkerung kritisch zu prüfen und die Ergebnisse transparent öffentlich darzulegen. So wie dies zumindest ansatzweise an anderen Staaten längst passiert. Warum nicht auch in Deutschland? Matysik : Es gibt, wie schon gesagt, aus zahlreichen Ländern Hinweise auf Qualitätsunterschiede bei den Chargen. Wir wissen auch, dass die Kontrolle beim PEI ausgesprochen lax war. Man hat sich die Proben nicht beim Hersteller selbst besorgt, sondern einfach zusenden lassen. Man stelle sich vor, die Lebensmittelämter ließen sich per Pizzataxi die Proben zusenden und gingen nicht selbst in die Küchen. Der Oberchargenprüfer beim PEI, Herr Dr. W., berichtete vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass sie nur vier Tests machen würden. Erstens: Man prüft mit dem bloßen Auge die Substanz vor weißem und schwarzem Hintergrund. Dieses Experiment führt aber bei Proben, die Nanopartikel enthalten, die das Licht stark streuen, zu Farberscheinungen. Nun hätte der Impfstoff „bei Verfärbung“ verworfen werden sollen. Dieses offensichtliche Problem war die erste Ungereimtheit, die uns Professoren stutzig machte. Hierzu bekamen wir weder vom Hersteller noch vom PEI eine vernünftige Antwort. Zweitens: Man prüft den pH-Wert, aber die Toleranz ist riesig. Drittens: Man testet, ob die gewünschte mRNA vorhanden ist, ohne zu untersuchen, was noch in der Probe ist. Moderne Next-Generation-Methoden gäbe es zwar am PEI, die seien aber „zu empfindlich“, wie Dr. W. sich ausdrückte. Schließlich wird dann noch die Größe der RNA-Moleküle geprüft: 50 Prozent können eine andere Länge haben. Man tut so, als wären die inaktiv. Fazit: Da ist analytisch noch sehr viel Luft nach oben. Deshalb wollten wir Prüfprotokolle des PEI einsehen. Leider wurde dieser Wunsch per Bescheid abgelehnt. Nun muss das Verwaltungsgericht Darmstadt entscheiden. Ein Termin steht noch nicht fest. Sie beide drücken sich bei der Beurteilung dessen, ob und wie das PEI bei der Zulassung und Überwachung der Sicherheit der Corona-Impfstoffe seinen gesetzlichen Pflichten nachgekommen ist, immer noch betont diplomatisch aus. Hat die Behörde nicht schlicht gepfuscht, getäuscht, gelogen, vertuscht? Unruh : Aus meiner Sicht ist das Problem, dass die Datenlage, soweit sie mir bekannt ist, keine eindeutigen Schlüsse darauf zulässt, ob die Gefahr, die von den Impfungen ausgeht, größer oder kleiner ist als zum Beispiel jene, die sich durch eine Corona- oder eine Influenza-Infektion ergibt. Aufgabe des PEI wäre es aus meiner Sicht, darauf hinzuwirken, dass es eine solide Datenlage mit geeigneter Auswertung gibt, diese der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird und auf dieser Grundlage über Zulassung beziehungsweise Nichtzulassung der Arzneimittel entschieden wird. Matysik : Jedenfalls muss man sich fragen, warum das PEI nicht die Prüfprotokolle herausgibt. Ein Mangel an Transparenz macht natürlich misstrauisch. Der PEI-Datensatz schlüsselt allein 1.113 Meldungen zu Todesfällen im Nachgang einer Impfung auf. Trotzdem blieb die Sirene stumm. Wäre das allein nicht schon ein Fall für den Staatsanwalt? Unruh : Wie bereits erwähnt, ist es nicht unsere Absicht, juristische Beurteilungen abzugeben oder gar Forderungen zu stellen. Aus den uns zugänglichen Unterlagen geht nicht einmal hervor, ob auch nur einer der gemeldeten Todesfälle durch die Impfung verursacht wurde. Und genau das sollte durch das PEI endlich geändert werden. Wir brauchen zuverlässige Informationen zur Wirkung und zu den Nebenwirkungen der Impfung im Verhältnis zum tatsächlichen Risiko einer Corona-Infektion. Ohne diese Information kann man die Sinnhaftigkeit einer Corona-Impfung ebenso wenig wie die einer Zulassung eines Impfstoffs oder die einer Impfempfehlung bewerten. Matysik : Man darf vermuten, dass es im PEI, wie auch beim RKI, seriöse interne Diskussionen gegeben hat. Ohne Frage ist dort ja auch sehr viel Expertise vorhanden. Vermutlich wurde auch hier, wie beim RKI, die wissenschaftliche Sicht durch politische Einflussnahme beschädigt. Verbeamtete PEI-Mitarbeiter haben allerdings eine Remonstrationspflicht. Sie können sich nicht einfach auf eine Weisung berufen. Es gibt eine gesetzliche Pflicht, die über diesen Weisungen steht. Bei über 1.000 Toten hätte natürlich eingeschritten werden müssen. Ich vermute, dass es hier ein juristisches Nachspiel geben wird. Sie haben sich Mitte Dezember 2024 in einem Brief mit acht Fragen an das PEI gewandt. Rechnen Sie nach allen Erfahrungen, die Sie im Umgang mit der Bundesbehörde und dem Mainzer Impfstoffhersteller BioNTech gemacht haben, überhaupt mit einer Antwort? Unruh : Natürlich rechnen wir mit einer Antwort, denn wenn das PEI nicht antwortet, tut es seiner in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Glaubwürdigkeit keinen Gefallen. Richtig ist aber auch, dass die von uns erreichte Öffentlichkeit noch sehr begrenzt ist. Wir freuen uns daher über die Möglichkeit, Artikel in der Berliner Zeitung und anderen Medien sowie auch dieses Interview auf den NachDenkSeiten veröffentlichen zu können. Und es sind schließlich nicht nur wir, die die Regierungen und Behörden auffordern, die Folgen aller Corona-Maßnahmen in voller Breite aufzuarbeiten. Wichtig ist es aus unserer Sicht, nicht locker zu lassen, bis wir nicht nur die Antworten auf unsere Fragen bekommen, sondern auch ein angemesseneres und transparenteres Vorgehen von Regierung und Behörden bewirken. Herr Matysik, Sie standen den NachDenkSeiten zuletzt im März Rede und Antwort. Seit bald drei Jahren versuchen Sie, vom PEI und BioNTech Informationen zu Eigenschaften, zur Qualitätskontrolle und zur möglichen Toxizität des Covid-19-Impfstoffs Comirnaty zu erhalten. Haben Sie in der Zwischenzeit Fortschritte gemacht? Matysik : Es gibt ja eine Reihe von Menschen – das sind Betroffene, Journalisten, Juristen und Wissenschaftler –, die versuchen, Stück für Stück die Wahrheit ans Licht zu bringen. Man denke an die Veröffentlichung der RKI-Protokolle. Die haben ja sehr deutlich gezeigt, dass das RKI hinreichend fachliche Expertise hatte, man sich aber den Wünschen der Politik unterwarf. Die Behörde ist zwar weisungsgebunden, aber der gesetzliche Auftrag, in diesem Falle die Arzneimittelsicherheit, steht sicherlich über einer ministeriellen Weisung. Und natürlich darf ein Minister nichts Gesetzeswidriges anweisen. Man muss für solche Aufklärung schon Geduld mitbringen. Die Verantwortlichen und die Mitläufer sind ja nicht wenige und nicht ohne Einfluss. Ich bin aber optimistisch, dass wir hier Aufklärung bekommen werden, und vermute, dass dann, nach Aufdeckung des Betrugs, eine junge und sehr kritische Generation aufwächst. Um eine öffentliche Diskussion anzustoßen, haben wir fünf Professoren am 5. Dezember einen Brief an zahlreiche deutsche Institutionen gesendet, die in der Corona-Krise eine Rolle spielten. Wir bitten darin um Stellungnahme zum Missbrauch der Wissenschaft, in deren Namen eine Politik durchgesetzt wurde, die die Experten im RKI überging. Unruh : Wir sollten als Wissenschaftler aber auch unserer eigenen Verantwortung gerecht werden. Wir haben umfassende Möglichkeiten, die Eigenschaften der Impfstoffe zu charakterisieren. So hat etwa meine Forschungsgruppe die Struktur der Lipid-Nanopartikel (LNPs) im Comirnaty-Präparat eingehend untersucht und die Ergebnisse im Fachjournal ACS Nano publiziert. Meine Universität , die lokale Presse und die Berliner Zeitung berichteten darüber. Wir fanden erhebliche Unterschiede zu den Vorstellungen von BioNTech. Zum Beispiel sind die LNPs flüssig und nicht fest, wie wohl von BioNTech angenommen wurde. Es wäre wichtig, dass viele unterschiedliche Disziplinen Toxizität, Karzinogenität, mRNA-Gehalt und -Integrität, Bioverfügbarkeit, Aktivität der mRNA im Körper und vieles mehr an den auf dem Markt befindlichen Impfstoffen untersuchen. Die Expertise ist an den deutschen Universitäten und anderen Forschungszentren vorhanden und wir haben gezeigt, dass wir mit solchen Untersuchungen nicht nur unserem öffentlichen Auftrag, zum Wohl der Gesellschaft beizutragen, gerecht werden, sondern auch spannende Forschung machen und grundlegend neue Erkenntnisse gewinnen können. Abschließende Frage an Sie beide. Rechtsanwalt Ulbrich sprach in einem Post auf X von einem „kompletten Versagen der Arzneimittelaufsicht“ in Deutschland. „Versagen“ klingt für die Verantwortlichen irgendwie entlastend. Es ging sehr offensichtlich darum, ein unausgereiftes Produkt auf Gedeih und Verderb der ganzen Bevölkerung aufzuzwingen. Trifft es das Wort Komplott da nicht eigentlich besser? Unruh : Das Vorgehen von Regierungen und Behörden hinsichtlich der Bewertung der Wirksamkeit und der Sicherheit der Corona-Impfstoffe sowie bezüglich der Gefahren, die von einer Corona-Infektion ausgehen, erscheint uns häufig vorschnell und wenig evidenzbasiert gewesen zu sein. Im Gegensatz dazu steht der enorme Druck, der – zur Erhöhung der Impfbereitschaft – auf die gesamte Bevölkerung ausgeübt wurde, sowie der De-facto-Zwang für bestimmte Berufsgruppen. Es ist also nicht nur die Frage, ob die Arzneimittelaufsicht versagt hat, sondern insbesondere auch, inwiefern die Politik versagt hat. Matysik : Das Versagen betrifft jedenfalls nicht nur die deutschen Behörden. Es war, auch wenn bezogen auf Corminaty deutsche Behörden eine besondere Verantwortung tragen, ein internationales Versagen. Daher ist die Aufklärung ebenfalls international. So hat sich gezeigt, dass die Kaufverträge der nationalen Regierungen mit Pfizer stets sehr ähnlich waren. Im Pfizer-Vertrag mit Kanada hieß es etwa: „Der Käufer erkennt an, dass weder die langfristigen Folgen noch die langfristige Effektivität der Impfstoffe derzeit bekannt sind und dass Nebenwirkungen eintreten können, die derzeit unbekannt sind. Zudem bestätigt der Käufer, dass das Produkt – im angemessenen Umfang – keiner Qualitätskontrolle von seiner Herstellung bis zur Verwendung („Serialization“) unterliegt.“ Dieser letzte Satz macht vielleicht verständlich, warum man beim PEI die Analytik so minimalistisch betrieb. Es ist schon sehr viel damit gewonnen, wenn Dokumente veröffentlicht werden, ganz egal, in welchem Land das passiert. Und wir erleben gerade, dass genau das passiert. Man darf hoffen, dass im nun begonnenen Jahr Parlamente, etwa in den USA oder in Sachsen und Thüringen, Licht ins Dunkel bringen werden. Titelbild: StudioFI/shutterstock.com Die drei bisher unter Beteiligung von Jörg Matysik bei den NachDenkSeiten veröffentlichten Interviews sind: 11. Oktober 2022: „Die Richter werden feststellen, dass die Naturgesetze auch am Paul-Ehrlich-Institut gelten.“ 28. November 2023: Profit vor Sicherheit: „Die Aufsichtsbehörden machen ihren Job nicht!“ 14. März 2024: Paul-Unehrlich-Institut? „Wir erleben ein bewusstes Verschließen der Augen vor den Realitäten.“…
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Wirtschaftsminister Habeck treibt seine gefährlichen – und in der Folge auch unsozialen – Forderungen zur Militarisierung in immer radikalere Höhen. Und viel zu viele Bürger lassen sich durch Habecks weihevolles Auftreten von der Radikalität seiner Inhalte ablenken. Dabei ist klar: Wer immer noch die Grünen wählt, macht sich zum Mittäter. Ein Kommentar von Tobias Riegel . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will laut Medienberichten die deutschen Verteidigungsausgaben deutlich anheben. „Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig. Das teile ich“, sagte er in einem Interview mit dem Spiegel , in dem er auch behauptet: „Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen. Wir müssen den Frieden sichern und weiteren Krieg verhindern.“ Eine Finanzierung durch Kürzungen beim Bürgergeld oder aus dem laufenden Haushalt lehne Habeck aber ab. Dies könne „mathematisch-logisch gar nicht funktionieren“. Eine derart hohe Summe lasse sich „am Ende nur über Kredite vorfinanzieren“. Die Schuldenbremse wolle er nicht abschaffen, sondern reformieren. Wer bietet noch mehr Militarisierung? Wer bietet noch mehr irrationale und in der Folge zwangsläufig unsoziale Militarisierung? Der SPD-Politiker Mützenich wirft Habeck laut Medien in diesem Zusammenhang zu Recht einen „holzschnittartigen Überbietungswettbewerb“ vor. Im Spiegel-Interview geht Habeck auch auf die Debatte um Elon Musk und Einmischungen in Wahlkämpfe ein – zu diesem Thema hat sich in der Berliner Zeitung der Medienanwalt Joachim Nikolaus Steinhöfel unter anderem so geäußert: „Habecks Wunsch nach einer staatlichen Steuerung der Meinungsbildung ist totalitär.“ Radikale Militarisierung Angesichts von Habecks erneutem radikalen Vorstoß in Sachen Hochrüstung drängt sich einmal mehr die einst von Sahra Wagenknecht aufgeworfene Frage auf: Sind die Grünen – zumindest bezüglich der Friedensfrage – die gefährlichste Partei im Bundestag? Meiner Meinung nach konkurrieren sie bei diesem Titel mit Teilen der CDU und der FDP, die in der Kriegs- und Rüstungsfrage in ähnlich extremer Weise agieren wie Teile der grünen Führung und die zusätzlich nicht mal die wohlklingenden grünen Phrasen von angeblich angestrebtem sozialen Ausgleich im Mund führen. Dass es neben den Grünen weitere fragwürdige Kräfte im Bundestag gibt und dass das Aus der Ampelregierung keineswegs automatisch Verbesserung bedeutet, wird im Artikel „ Totales Dilemma: Nach der Ampel kommt’s noch härter! “ beschrieben. Aber trotzdem: Viele grüne Politiker tragen eben doch in besonders starker Weise den für sie charakteristischen Russenhass und die zugehörige Unterwürfigkeit gegenüber US-Falken und US-Wirtschaftsinteressen in unsere Gesellschaft. Dazu kommt: Teile der Grünen verfolgten die für unsere Gesellschaft nachteilige Politik der ideologischen und geschichtsvergessenen Feindschaft gegen Russland bereits vor der Ampelregierung und vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine (siehe dazu unter anderem diesen Artikel oder hier oder hier ). Auch durch solche langfristigen propagandistischen Vorarbeiten wurde der aktuellen, irrationalen Politik der Militarisierung, der Sanktionierung und der unvernünftigen Konfrontation gegenüber Russland der Weg geebnet. Bezüglich Habeck fragt dieser Artikel : „Landkrieg, zerstörtes Gasnetz usw.: Ist Robert Habeck der gefährlichste Politiker der Regierung?“. Selbstverständlich soll eine deutsch-russische Verständigung keine Unterwerfung unter Russland bedeuten und eine Verständigung und eine gegenseitige Berücksichtigung von Sicherheitsbedürfnissen müssen auch keinen Ausverkauf der baltischen Interessen bedeuten – ebensowenig wie einen harten Bruch mit den USA: Deutschland sollte und könnte einen Brücke sein, auch wenn das im Moment schwer vorstellbar ist. Habeck und die Hinkelsteine Zu ihren teils gefährlichen politischen Inhalten kommt bei vielen Grünen das emotionale, arrogante und rundum inszenierte Auftreten hinzu – zuletzt sind auf diesen Zirkus Jens Berger im Artikel „ Robert der Grüne im Größenwahn “ und Florian Warweg im Artikel „ Robert Habeck sitzt im Glashaus und wirft mit Hinkelsteinen “ eingegangen. Außerdem muss hier die grüne Praxis erwähnt werden, die Folgen der eigenen verantwortungslosen Politik stur als Folgen von „multiplen Krisen“ zu bezeichnen. Immer wieder muss betont werden: Diese Krisen sind überwiegend hausgemacht und Folge auch grüner Politik: Einen Wirtschaftskrieg gegen Deutschlands wichtigsten Energielieferanten Russland vom Zaun zu brechen und die harten und absolut voraussehbaren Folgen dieses Schrittes für unsere Gesellschaft billigend in Kauf zu nehmen, das muss als höchst verantwortungslos bezeichnet werden. Robert Habeck ist kein Schwachkopf Die NachDenkSeiten haben sich in zahlreichen Artikeln mit Robert Habeck und der Politik der Grünen befasst. So stellte etwa Jens Berger fest: Wer jetzt noch die Grünen wählt, ist kein Mitläufer, sondern ein Mittäter . Dass eine Wahl der Grünen nicht einmal eine Wahl für mehr Klimaschutz ist, wird im Artikel „Was interessiert mich mein (grünes) Geschwätz von gestern“: Kein Umweltschutz – und nicht mal „Klimaschutz“. Dafür Wirtschaftskrieg thematisiert. Wichtig: Robert Habeck ist kein Schwachkopf und: Grüne Politik ist nicht „links“ – die „linken“ Projekte der Grünen bleiben reine Rhetorik, wenn von der grünen Führung gleichzeitig der Rüstungs-Etat so aufgeblasen wird, dass für die sozialpolitischen Vorhaben der Grünen voraussehbar keine Mittel mehr da sein werden. Eine Rückkehr Deutschlands zum Bezug russischer Energie würde viele Probleme entschärfen, wie im Artikel „ Russisches Gas – jetzt: Alles andere ist doch nur Theater “ beschrieben wird. Zu Habecks Energie-Plänen hat Jens Berger kürzlich geschrieben: Habecks energiepolitische „Lösung aller Probleme“ … was redet der Mann da? . Den Fakt, dass ausgerechnet der als Wirtschaftsminister gescheiterte Habeck Kanzlerkandidat seiner Partei wurde, hat Albrecht Müller in diesem Artikel beschrieben. Habeck und die Journalisten Die zerstörerische Wirkung, die die Grünen für die Gesellschaft entfalten, ist nicht zu übersehen – aber leider sind die Grünen ziemlich gute Verkäufer ihrer schlechten Sache. Und Robert Habeck hat eine große Geschicklichkeit darin entwickelt, einen von den Grünen selber mit eingeleiteten Niedergang zumindest zeitweilig hinter der Figur des moralischen Hohepriesters zu verstecken. Es ist bedenklich, wie viele Bürger für diese Masche immer noch empfänglich zu sein scheinen. Zusätzlich zu diesem PR-Talent muss sich der Minister Habeck auch dieser Tage vor harter Kritik vonseiten vieler Journalisten bekanntlich nicht fürchten: Unter anderem der Tagesspiegel behauptet , dass die aktuellen Forderungen von Habeck auf einer „unangenehmen Wahrheit“ beruhen würden und die Zeitung fragt allen Ernstes, ob Habeck darum nun als „der einzige Realist“ im Wahlkampf zu gelten habe. Die infamen und gefährlichen Äußerungen von Habeck wurden vom Spiegel in einer für den Politiker vorteilhaften Weise bebildert und aufgemacht. Zusätzlich lässt sich in anderen großen deutschen Medien kaum eine Reaktion finden, die Habecks aktuelle Äußerungen (in angemessener Schärfe!) auf einen ernstzunehmenden Prüfstand stellen würde. Vielleicht liegt das unter anderem auch an dem Umstand, dass laut einer Studie der TU Dortmund die Grünen unter deutschen Journalisten angeblich auf 41 Prozent Zustimmung bauen können. Titelbild: @Schorsch5000 / x.com…
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1 Syrien nach dem Umbruch – Nachforschungen vor Ort 17:03
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17:03Auch einen Monat nach der Machtübernahme von Hay’at Tahrir as Scham (HTS) bleibt die Lage in Syrien unübersichtlich. Karin Leukefeld fuhr Ende Dezember nach Damaskus, um sich selbst ein Bild zu machen. Die Autorin beschreibt für die NachDenkSeiten die chaotische Situation in Syrien nach dem Rückzug des Assad-Regimes. Der Grenzübergang ist unkontrolliert und syrische Städte sind von Zerstörung, Plünderung und improvisierter Ordnung geprägt. Während Menschen den Sturz Assads feiern, herrscht Unsicherheit. Alte Machtstrukturen sind verschwunden, aber der Wiederaufbau ist ungeklärt. Regionen wie Ghouta und Jobar liegen in Trümmern, während auf dem Qassioun-Berg anarchischer Aufbau herrscht. Die Freiheit bringt zugleich neue Herausforderungen. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Jenseits des libanesischen Grenzübergangs Masna herrscht ein komplett unkontrollierter Zugang zu Syrien. Der Taxifahrer, der die Autorin seit mehr als 15 Jahren zwischen Damaskus und Beirut und früher auch nach Amman fuhr, lässt seiner Freude freien Lauf: „Herzlichen Glückwunsch, Syrien“, sprudelt es aus ihm heraus. „Sieh hier und hier“, sagte er und zeigte auf die vielen Fahrzeuge, die mit offenem Kofferraum entlang der Straße stehen und mit Gaszylindern, Plastikflaschen voller Benzin und Kartons mit allen möglichen Waren vollgepackt sind. „Alles bekommen wir jetzt in Syrien: Gas, Benzin, Lebensmittel und sogar Autos kommen herein.“ Die größte Freude aber sind für ihn die verlassenen Kontrollpunkte, an denen die Fahrer früher immer halten, Türen und Kofferraum öffnen mussten und meist einen Geldschein oder auch eine Packung Zigaretten abgaben, um schneller weiterzukommen. „Alle sind weg“, sagt der Fahrer begeistert. „Die Alawiten, die Schiiten, alle sind abgehauen, über Nacht!“ Autotransporter unklarer Herkunft passieren die unkontrollierte Grenze nach Syrien. Offen für alles und alle. Foto: K. Leukefeld In der Hauptstadt herrschen chaotische Verkehrsverhältnisse, Verkehrspolizei gibt es nicht mehr. „Brauchen wir nicht“, ist der Fahrer überzeugt. „Wir Syrer respektieren uns gegenseitig und können alles selber regeln.“ Noch sei es chaotisch, aber bald werde alles gut sein, ist er überzeugt. „Herzlichen Glückwunsch, Syrien!“ Abbassiyeen-Platz: Kartoffeln und Benzin. Foto: K. Leukefeld Vor dem Opernhaus am Ommayyaden-Platz und in der Altstadt vor der Ommayyaden-Moschee versammeln sich fast täglich Menschen, um den Sturz von Bashar al-Assad zu feiern. Die Stadt, Werbetafeln, Geschäfte und Brücken scheinen in ein Meer von schwarz-weiß-grün und drei roten Sternen getaucht zu sein. Das sind die Farben der neuen syrischen Fahne, die – neben türkischen Produkten – der Verkaufsschlager an den vielen kleinen Ständen ist. Die Syrer sind traditionell freundlich zurückhaltend gegenüber Fremden und es scheint, als wollten sie signalisieren, dass sie keine Probleme mit den neuen HTS-Machthabern haben wollen. Viele Auto- und Taxifahrer haben die alte Fahne an ihren Fahrzeugen eilig abgerissen und die neue Fahne in das Rückfenster geklebt. Die Wenigsten scheinen zu wissen, dass diese Fahne eine Hinterlassenschaft des einstigen Machthabers Frankreich ist, das 24 Jahre lang – von 1922 bis 1946 – Mandatsmacht in Syrien war. Ihm sei es egal, wer die neue Fahne mitgebracht habe, sagt der Taxifahrer. „Alles ist besser als Assad!“ Zerstörungen Viele staatliche Einrichtungen sind zerstört und wurden offenbar auch in Brand gesetzt: Polizeistationen und die alten Polizeifahrzeuge sind zerstört, auch das neue und modern eingerichtete Einwohnermeldeamt unweit von Zablatani ging in Flammen auf. Iranische Einrichtungen wie das Kulturzentrum und die Iranische Botschaft wurden ebenfalls angegriffen. Die Gebäude sind nun verschlossen und liegen verlassen. Auch die schiitische Pilgerstätte unweit der Ommayyaden-Moschee, die Moschee der Rukheyyeh und Geschäfte schiitisch-muslimischer Syrer in der Altstadt sind verschlossen. Schiitische Muslime gelten als „Iraner“ und die sind nicht mehr erwünscht in Syrien, bestätigt der Taxifahrer. Der neu ernannte HTS-Außenminister fordert vom Iran 300 Milliarden US-Dollar ein, weil der Iran für die Kriegszerstörungen in Syrien verantwortlich sei. Damaskus Zablatani. Zerstörtes Einwohnermeldeamt. Foto: K. Leukefeld Statuen der beiden ehemaligen Präsidenten Hafez und Bashar al Assad und Statuen, die an die vielen getöteten Soldaten erinnern sollen, sind zerstört. In Latakia sei der Kopf einer Statue von Hafez al-Assad mit einem Auto durch die Straßen gezogen worden, berichtet eine Bekannte. Jubelnde Männer hätten sich darauf sitzend oder stehend mitziehen lassen, sagt sie und schüttelt den Kopf. Bei aller Kritik an den Assads gehe ihr so eine Zerstörungswut zu weit, meint sie und murmelt: „Auch die Grabstätte von Hafez al-Assad wurde verwüstet.“ In der östlichen Ghouta Die östlichen Vororte von Damaskus liegen in Trümmern. Vor dem Krieg standen hier dicht an dicht kleine, zumeist Familienwerkstätten. Hier wurden Möbel hergestellt, Autos repariert, hier wurde genäht und gestickt oder wurden Lederwaren produziert. Die Orte waren ursprünglich um einen historischen Dorfkern gebaut, denn die Dörfer lagen früher in der Ghouta, einer aus Feldern, Obsthainen und Wiesen bestehenden Oase, die mit dem Wasser des Barada-Flusses bewässert wurde. Der Fluss aus dem Anti-Libanon-Gebirge teilte sich unter Damaskus in zahlreiche unterirdische Wasserläufe, die Ghouta wurde mit dem Wachsen der Stadt zu einem Erholungsgebiet. Manch einer in Damaskus erinnert sich noch an die Zeit, als eine Straßenbahn dort hinausfuhr. Das Mosaik am östlichen Stadtrand von Damaskus wurde mit einer neuen Fahne übermalt. Foto: K. Leukefeld Die massive Landflucht – verursacht vor allem durch Wasserknappheit – hatte Zehntausende Menschen in die Ghouta gebracht, die sich dort ohne Genehmigungen kleine Häuser und Hütten bauten. Die Dörfer der Ghouta wuchsen immer dichter zusammen und wurden zu dicht besiedelten Vorstädten, in denen bald mehr Menschen lebten als in Damaskus selbst. 2011 und 2012 wurden diese Vorstädte von verschiedenen bewaffneten Gruppen eingenommen und nach islamistischen Regeln regiert. Es folgten Jahre eines zermürbenden Kampfes zwischen den bewaffneten Gruppen und der syrischen Armee. Erst 2018 gelang es Russland, der Türkei und Iran, die sich in der Astana-Gruppe zusammengeschlossen hatten, nach zähen Verhandlungen, den Abzug der Kampfverbände zu erreichen. In Bussen wurden sie nach Idlib abtransportiert und hinterließen eine große Verwüstung. Nun sind diese Kämpfer zurückgekehrt und triumphieren über ein Ödland. Harasta In Harasta leben die Menschen in Ruinen. Die beiden Kirchen sind zerstört, in einer hatten die Kämpfer einen Tunnel gegraben, um sich unter der Erde einen Weg nach Damaskus zu bahnen. Die Kirche des Heiligen Elias wurde militärischer Stützpunkt der Kämpfer, das ausgehobene Erdreich war einfach in dem Kirchenschiff aufgetürmt worden. Harasta Zentrum weitgehend zerstört mit neuer Fahne. Foto: K. Leukefeld Die Christen haben Harasta verlassen. Doch in der schmalen Straße, die an der zerstörten St.-Elias-Kirche vorbeiführt, begegnet die Autorin einer Gruppe von Frauen, die bereitwillig auf ihre Fragen antworten. Es fehle an allem, sagen sie. Es fehle Strom, nur nachts käme der Strom manchmal für eine Stunde, sagt eine der Frauen und alle nicken. Ihre Wohnung sei dunkel, es gebe wenig Sonne, ihre Mutter sei blind, es gebe keine Medikamente. Die Frauen klagen darüber, dass es nicht genug zu essen gäbe für die Kinder, die doch noch wachsen müssten. Kleidung und Schuhe für die Kinder seien teuer. Ja, eine Schule gebe es, und ihr Mann und ihr Sohn arbeiteten beide im Krankenhaus von Harasta, sagt eine der Frauen mit sorgenvoller Stimme: „Aber der Lohn reicht nicht und in diesem Monat wissen wir nicht, ob sie überhaupt ihr Geld bekommen.“ Zum Glück gebe es eine Hilfsorganisation, die einmal in der Woche an die Bedürftigen kostenlos Brot verteile. Sie sei gerade auf dem Weg dorthin. Harasta, Vorort von Damaskus. Brot wird verteilt an Bedürftige. Foto: K. Leukefeld Die Frau geht voraus, um ihre Ration Brot abzuholen. Sie legt ihre Ausweispapiere vor, die Helfer kontrollieren den Namen auf einer Liste. Berechtigt für die Brotspende sind alte Menschen, verwitwete und geschiedene Frauen, Familien, die einen Kranken pflegen müssen, Waisenkinder und Menschen, die eine physische oder psychische Krankheit haben. Gespendet wird das Brot von „guten Menschen aus Damaskus“, sagt der Leiter der Organisation, Herr Abu Imad, der früher im örtlichen Elektrizitätswerk arbeitete. Ob er einen Namen eines solchen „guten Menschen“ nennen könne? Nein, die Spender wollten anonym bleiben, doch jedes Mal würden 1.000 bis 1.500 Rapta Brot gespendet. Ein Rapta Brot besteht aus sieben Brotfladen und soll nach Vorschrift 1.500 Gramm wiegen. Vor HTS kostete ein Rapta 400 Syrische Pfund und die Familien erhielten je nach Größe täglich mindestens ein Rapta zugeteilt. Heute muss man pro Rapta 4.000 Syrische Pfund bezahlen. Ein Mann mit weißem Haar steht etwas abseits und hört dem Gespräch zu. Er sei einer der „guten Menschen“, erfährt die Autorin später. „Er kommt morgens früh mit dem Brot und bleibt immer so lange, bis das letzte Brot verteilt ist“, heißt es. So könne er sicherstellen, dass das Brot auch bei den Bedürftigen ankomme. Harasta, Vorort von Damaskus. Es gibt nur eine Stunde Strom am Tag, in der Nacht. Es fehlt an allem. Foto: K. Leukefeld Die Rückfahrt nach Damaskus führt über die Autobahn, die Aleppo, Hama und Homs mit Damaskus verbindet. Dort, wo die Autobahn sich in eine Umgehungsstraße Richtung Flughafen und die Straße Richtung Damaskus Innenstadt teilt, steht seit vielen Jahren ein großes Mosaik, das Hafez al Assad und die landschaftliche, fruchtbare Weite Syriens zeigt. Obwohl das große Monument genau auf der Frontlinie zwischen den östlichen Vororten und der Stadt von Damaskus steht, hatte es die langen Jahre des Krieges unbeschädigt überstanden. Doch nun haben Unbekannte das Mosaik mit der neuen Fahne übermalt und in großen Buchstaben „FREE“ daneben geschrieben. In Englisch, nicht in Arabisch. Jobar Kurz vor Damaskus und nicht weit vom Bab Touma, dem Thomas-Tor, entfernt, einem der Zugänge in die Altstadt, liegt Jobar. Der Vorort bot einst günstigen Wohnraum für junge Leute, die in der Stadt arbeiteten oder studierten. In Jobar gab es zudem eine der ältesten Synagogen der Region, selbst eine kleine jüdische Gemeinde war in Syrien geblieben. Die alten Leute wohnten meist zurückgezogen in ihren Häusern in der Altstadt. Heute ist Jobar zerstört und – bis auf einige Werkstätten in den Randgebieten – völlig verlassen. Mit Hilfe eines Stadtplans gelingt es, den Standort der Synagoge zu finden. Und andere Journalisten sind schon da. Auf einem Trümmerberg steht ein Kollege der Nachrichtenagentur AP mit einem Kameramann, einem Begleiter und einem freundlich lächelnden weißhaarigen Mann, der sich als Bakchour Chamatoub vorstellt. Er sei 74 Jahre alt „und single“, grinst er verschmitzt. Und er sei einer der verbliebenen Juden in Syrien. Auf die Frage, wie viele denn geblieben seien, meint er „neun oder zehn“. Jobar, zerstörte Synagoge. Bakhour Chamatoub (74) ist einer der Letzten der jüdischen Gemeinde, von 9 oder 10 Personen. Foto: K. Leukefeld Das Gebäude der Synagoge ist zerstört, auch eine nahegelegene Schule hat den Krieg nicht überstanden. Was genau geschehen sei, wisse er nicht, sagt Herr Chamatoub. Doch eine alte Thora, die in der Synagoge gewesen sei, habe man in der Türkei einer Gruppe von kriminellen Schmugglern abgenommen. Da der AP-Journalist sein Gespräch mit Herrn Chamatoub noch nicht beendet hat, tauscht die Autorin Telefonnummern aus und man verabredet sich für ein anderes Mal. Vor dem zerstörten Gebäude steht ein Mann, der trotz des strahlenden Sonnenscheins eine warme Wollmütze auf dem Kopf trägt. Mohamed Ali Kassem war 25 Jahre lang Wächter in der Schule, die zur Synagoge gehörte. Doch nun liege alles in Trümmern. Der Garten, den er mit dem Wächter der Synagoge angelegt habe und wo sie oft bei einem Tee zusammengesessen hätten, sei vertrocknet. Ob er glaube, das Jobar wieder aufgebaut werde? „Sehen Sie sich um, alles liegt in Trümmern. Wir haben kein Geld, kein Baumaterial, das Ausland streitet sich darüber, wer was in Syrien zu sagen hat. Wer soll Jobar wieder aufbauen?!“ Qassioun Viele Menschen zieht es auf den Qassioun, den Hausberg, der sich mehr als 1.100 Meter über der syrischen Hauptstadt erhebt. Vor dem Krieg (vor 2011) war der Berg ein beliebter Ausflugsort. Entlang einer Straße, die unterhalb des Gipfels rund um den Berg herumführt, waren kleine Cafés, Restaurants und Aussichtsplätze, wo die Bevölkerung an Sommerabenden, an Feiertagen und am Wochenende gern die Aussicht über die Stadt und die frische Luft genoss. Während des Fastenmonats Ramadan zogen viele in der Nacht auf den Berg, um dort ihr Frühstück einzunehmen, bevor das tägliche Fasten begann. Mit Beginn des Krieges wurde die Straße gesperrt. Der Qassioun wurde militärische Sperrzone, Cafés und Restaurants verwaisten. Die Basis der syrischen Armee an der Rückseite des Berges wurde erweitert, Radar- und Telekommunikationstürme wurden gebaut. In den Jahren nach 2012, als bewaffnete Gruppen Damaskus aus den Vororten der östlichen Ghouta beschossen und von dort in die Stadt eindringen wollten, feuerte die Armee vom Qassioun auf deren Stellungen in Jobar, Harasta, Douma und Arbeen. Syrer auf dem Qassioun, dem Hausberg von Damaskus. Foto: K. Leukefeld Nun ist der Weg auf den Qassioun frei und Menschenmassen strömen mit Autos, Motorrädern oder auch zu Fuß die Straße zum Berg hinauf. Oben herrscht Chaos. Fahrzeuge parken kreuz und quer, Händler vermieten Tische und Stühle an die Besucher, andere haben bereits begonnen, das Fundament für neue Gebäude zu bauen. Mit Zement, Steinen, Holz, Blech und Plastik werden Hütten und Plattformen errichtet, um Getränke oder Speisen anzubieten, um neue Cafés zu bauen. Es gibt keine Regeln. Wer zuerst kommt, baut zuerst. HTS-Sicherheitskräfte der Militärpolizei und des Innenministeriums beobachten das Geschehen. Die Militärpolizei trägt khakifarbene Uniformen, die Kräfte des Innenministeriums sind schwarz gekleidet. Nicht alle sind bewaffnet, doch fast alle haben ihre Gesichter vermummt. Meist bewegen sie sich in Vierergruppen. „Woher kommen Sie“, will einer der HTS-Militärpolizisten wissen und als er hört, aus Deutschland, stimmt er eine Lobeshymne auf das Land an, das so viele Syrer aufgenommen habe. „Sagen Sie den Syrern, sie sollen nach Hause zurückkehren“, sagt der HTS-Militär dann. „Wir brauchen sie hier, für den Wiederaufbau.“ HTS-Militärpolizei auf dem Qassioun, dem Hausberg von Damaskus. Foto: K. Leukefeld Plötzlich gibt es Bewegung unter den Menschen. Einige der Sicherheitskräfte rennen zu einem großen Bagger, der angefangen hat, Erdreich auszuheben. Vermutlich will jemand an der Stelle ein Gebäude errichten, doch die HTS-Kräfte unterbinden das. Einige Männer, deren Herkunft unklar ist, kommen mit Hacken, Hammern und Schaufeln und zerstören die frisch gebauten Plattformen und Mauern. Die Mehrheit der Leute sieht dem Geschehen teilnahmslos zu, einige unterstützen das Vorgehen. „Richtig so“, sagt ein Mann. „Dieses wilde Bauen muss sofort gestoppt werden. Der Qassioun gehört uns allen.“ Die Rückfahrt führt um den Gipfel des Qassioun hinunter zur Stadt. Die Militärbasis der syrischen Streitkräfte liegt verlassen. Einige Menschen sitzen im Gras und haben ein Picknick ausgepackt. Die Autorin wirft einen Blick auf das Handy, um zu prüfen, ob Nachrichten eingegangen sind. Der syrische Internetanbieter ist verschwunden, stattdessen gibt es einen neuen, unbekannten Anbieter namens „Cellcom“. Das SMS-Signal kündigt eine neue Nachricht an. Darin weist der deutsche Vertragspartner darauf hin, dass man in einem neuen Land angekommen sei. „Willkommen in Israel“, beginnt die Nachricht. „Um Daten nutzen zu können (z.B. Internet oder E-Mail), benötigst Du eines der folgenden Angebote (….).“ Mitten in Syrien, mitten in Damaskus ist ein israelischer Mobilfunkanbieter aktiv. Hurieh, Freiheit, jubeln die Menschen. Die Freiheit des Landes, die Souveränität Syriens ist schon verkauft. Titelbild: K. Leukefeld…
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1 Vortrag von Florian Warweg: „Nord-Stream-Terroranschlag – Wer ist verantwortlich?“ 27:31
27:31
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27:31Die NachDenkSeiten -Gesprächskreise in Würzburg und Schweinfurt in Kooperation mit den Freidenkern hatten Mitte Dezember den NDS-Redakteur Florian Warweg zu zwei Vorträgen zum Thema Hintergründe und aktueller Stand beim Nord-Stream-Anschlag eingeladen. Der Fokus lag dabei auf der Analyse, welche, teilweise auch wenig bekannte, Akteure am stärksten von dem Anschlag profitiert haben. Die NachDenkSeiten dokumentieren für ihre Leser den Vortrag in der verschriftlichten Fassung. Von Florian Warweg . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Die wirtschaftlichen Motive der USA: Noch vor wenigen Jahren herrschte in der LNG-Branche der USA Katastrophenstimmung. Der Fracking-Boom Ende der 2010er-Jahre hatte für ein massives Überangebot von Erdgas gesorgt. Ab Beginn der 2020er-Jahre sank der Spotmarktpreis am US-Knotenpunkt Henry Hub auf unter fünf Euro pro Megawattstunde. Zum Vergleich, derzeit (Stand Mitte Dezember 2024) liegt der Spotmarktpreis für Erdgas in der EU zwischen 43 und 50 Euro pro Megawattstunde. Die mit vielen Milliarden US-Dollar vom Finanzsektor ausgestattete US-Fracking-Branche und in logischer Folge auch signifikante Teile des US-Finanzsystems standen angesichts dieser Preisentwicklung vor dem Bankrott . Denn die Investitionen waren, wie im Big Business der USA üblich, mit wenig Eigen-, aber sehr viel Fremdkapital getätigt worden. Zur Verhinderung des sich anbahnenden Zusammenbruchs gab es eigentlich nur eine Möglichkeit: Expansion auf den EU-Markt und hier insbesondere auf den mit Abstand größten Erdgasimporteur mit einem jährlichen Bedarf von ungefähr 100 Milliarden Kubikmeter: die Bundesrepublik Deutschland. Doch welches Interesse sollte Deutschland und sein Industriesektor haben, US-amerikanisches LNG-Gas zu importieren, welches (wohlgemerkt vor Kriegs- und Sanktionsbeginn) um den Faktor 7 teurer war als das via Pipeline ins Land strömende russische Erdgas? Auf freiwilliger und rationaler Entscheidungsgrundlage natürlich erst mal gar keins. Wie unter anderem der auf Energiefragen spezialisierte Journalist Jens Berger (Transparenzhinweis: zugleich mein NachDenkSeiten-Kollege) bereits umfassend darlegte , hat erst seit der Eskalation des Ukrainekrieges und den damit verbundenen EU-Sanktionen gegen Russland der Preis für Fracking-Gas ein Niveau erreicht, das es den US-Energiekonzernen ermöglicht, Geld zu verdienen und nicht – wie die Jahre zuvor – massiv Geld zu verlieren. Doch selbst diese Entwicklung stand bis Sommer 2022 noch auf einer nicht besonders nachhaltigen wirtschaftlichen Grundlage. Erst die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines hat letzten Endes den Weg frei gemacht, um die EU und insbesondere Deutschland langfristig zu Abnehmern der US-amerikanischen Erdgas-Überschüsse zu machen und den Preis auch langfristig auf einem für US-Frackinggas-Produzenten profitablen Niveau zu halten. Die damit verbundene neue Erdgas-Abhängigkeit ihres EU-„Partners“ passt den US-Amerikanern fraglos ebenfalls ins globalstrategische Dominanz-Konzept. Nach einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) werden die USA bereits vor 2030 mit einem antizipierten Exportvolumen nach Deutschland von rund 40 Prozent dieselbe dominante Rolle einnehmen wie Russland vor dem Ukraine-Krieg. Soviel auch zur „Reduzierung“ der energiepolitischen Abhängigkeit der EU, die Washington ja angeblich so am Herzen liegt. Vieles deutet vor diesem Hintergrund auf eine Täterschaft der USA hin. Der renommierte US-amerikanische Investigativjournalist Seymour Hersh, der unter anderem das My-Lai-Massaker der US-Armee in Vietnam aufdeckte, veröffentlichte am 8. Februar 2023 einen aufsehenerregenden Artikel unter dem Titel „Wie Amerika die Nord-Stream-Pipeline ausschaltete“. Die meisten von Ihnen werden diesen Artikel kennen. Mit Verweis auf einen Whistleblower legt er detailliert dar , wie die USA und Norwegen die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines durchführten. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA dementierte erwartungsgemäß und erklärte: „Diese Behauptung ist völlig und vollkommen falsch.“ Wie unkritisch dieses CIA-Narrativ dann von deutschen Leitmedien bis heute wiedergekäut wird, ist nochmal ein ganz eigenes Thema, auf das ich später auch noch eingehen werde. Doch ganz unabhängig davon, ob die USA für die Sprengung von Nord Stream verantwortlich zeichnen oder nicht, sie sind nachweislich die größten wirtschaftlichen Profiteure der Tat. Vor diesem Hintergrund erlangt die Bemerkung von US-Außenminister Blinken wenige Tage nach dem Anschlag noch mal eine ganz andere Relevanz. Blinken hatte am 30. September 2022 auf einer Pressekonferenz anlässlich des Besuches seiner kanadischen Amtskollegin Mélanie Joly die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines unumwunden zu einer „enormen strategischen Chance“ für die USA erklärt . Ich zitiere: „Wir sind jetzt der führende Lieferant von Flüssigerdgas für Europa […]. Dies ist auch eine enorme Chance. Es ist eine enorme Chance, die Abhängigkeit von russischer Energie ein für alle Mal zu beseitigen. Das ist sehr bedeutsam und bietet eine enorme strategische Chance für die kommenden Jahre.“ Worin die „enormen strategischen Chancen“ für die USA bestehen, habe ich ja bereits skizziert, will das aber noch kurz konkreter ausführen, was das für die USA und Europa, insbesondere Deutschland, heißt. Das, was ich jetzt schildern werde, hat mir Ende letzter Woche in einem Gespräch ein Erdgaslogistiker dargelegt. Laut ihm würden derzeit von den USA aus jede Woche rund 20 Flüssiggastanker nach EU-Europa fahren. Ein einziger Tanker fasst 1,4 Terawattstunden. Erdgas kostet in den USA aktuell etwa 9 Euro/MWh. Die Umwandlung in Flüssigerdgas und der Transport würden zusätzlich nochmal mit rund 10 bis 15 Euro/MWh zu Buche schlagen. Verkauft wird das US-Erdgas an Europa derzeit zu Preisen zwischen 40 bis 50 Euro/MWh. (Für die Kopfrechner hier unter Ihnen, 1000 Megawattstunden = 1 Gigawattstunde (GWh), 1000 Gigawattstunden = 1 Terawattstunde (TWh).) Die USA verdienen also mit ihrem Erdgasexport nach Europa grob gerechnet etwa eine Milliarde Euro pro Woche. Pro Woche! Das heißt, aus einem langjährigen Minusgeschäft haben die USA mittlerweile dank der europäischen und insbesondere deutschen Abnehmer eine Goldgrube gemacht und zugleich ihrer Industrie einen zuvor ungekannten Wettbewerbsvorteil in Bezug auf die europäische Konkurrenz verschafft. Polen, der unterschätzte Akteur in der Causa Nordstream Der Beschluss zum Bau von Nord Stream 1 fiel in den beginnenden polnischen Wahlkampf des Jahres 2005 und wurde insbesondere von der rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (allgemein als PiS bekannt) entsprechend genutzt. Das regierende katholisch-nationale Lager nannte das deutsch-russische Pipelineprojekt wortwörtlich eine „Existenzbedrohung“. Die Kaczyński-Brüder sprachen in diesem Zusammenhang von einem „Schröder-Putin-Pakt“, in direkter Anspielung auf den „Hitler-Stalin-Pakt“ von 1939. Tatsächlich dürfte die polnische Ablehnung des gesamten Nord-Stream-Projektes aber weniger von sicherheitspolitischen Überlegungen bestimmt gewesen sein als von handfesten finanziellen Interessen – getragen von der Sorge, durch Nord Stream perspektivisch die millionenschweren Transitgebühren zu verlieren, die Warschau Jahr für Jahr aus Moskau erhielt. Denn unabhängiger will man in Warschau nur von Gas-Importen für den eigenen Verbrauch werden. Beim Transit hat Polen sehr wohl Interesse an möglichst hohen Gasmengen aus Russland, denn diese sorgen für entsprechende Gebühreneinnahmen. Damit wird auch klar, weshalb Polen zwar alles in seiner Macht Stehende tat, um die Ostseepipeline Nord Stream zu verhindern, sich aber gleichzeitig nachdrücklich für den Ausbau der mit russischem Gas gespeisten landgebundenen Jamal-I-Pipeline mit einem zweiten Strang einsetzte, der natürlich über Polen verlaufen sollte. Zum anderen – und wohl noch relevanter – sind die seit Jahren in Warschau gehegten und zum großen Teil schon umgesetzten Pläne, wie etwa die taz in einem Artikel von Anfang Februar 2022 mit dem Titel „Polen hofft auf Geschäft mit Gas“ ausführt. Ich zitiere, wohlgemerkt aus der taz : „Polen will gemeinsam mit den USA den zentraleuropäischen Gasmarkt neu aufrollen und den Deutschen das bisherige Transfergeschäft abnehmen. Zu diesem Zweck hat Polen in Norwegen ausgedehnte Gasförderfelder gekauft, baut zurzeit die Baltic Pipe durch die Ostsee und errichtete an der Ostseeküste bereits gigantische Gaszisternen, in denen das Flüssiggas aus den USA wieder in Gas verwandelt und dann vor allem exportiert werden soll. Das seit vielen Jahren geplante Geschäft wird aber nur dann ordentlich Gewinn abwerfen, wenn Nord Stream 2 nicht an den Start geht und so kein günstiges Gas nach ganz Europa liefert.“ Diese immensen, von Polen mit expliziter US-Unterstützung seit Jahren getätigten Investitionen in Gas-Infrastruktur hatten, wie die taz ja auch ausführt, von Beginn an eigentlich nur wirtschaftliche Erfolgsaussichten, wenn Nord Stream 2 nicht an den Start geht. Und wirklich Gewinn abwerfen könnte dieses Projekt nur, wenn auch Nord Stream 1 nicht mehr in Betrieb wäre. Bezeichnenderweise eröffneten Regierungsvertreter Polens, Dänemarks und Norwegens die explizit als Alternativ-Pipeline zu russischem Gas konzipierte „Baltic Pipe“ just am 27. September 2022, also nur einen Tag nach dem Sabotageakt gegen Nord Stream. Anlässlich der Einweihung erklärte der polnische Ministerpräsident Morawiecki: „Diese Gaspipeline bedeutet das Ende der Ära der Abhängigkeit von russischem Gas. Sie ist auch eine Gaspipeline der Sicherheit, Souveränität und Freiheit nicht nur für Polen, sondern in Zukunft auch für viele andere.“ Damit ist wohl der Kern des massiven polnischen Widerstands gegen das Nord-Stream-Projekt offengelegt. Lasst mich kurz ein Zwischenfazit ziehen: Während die deutsche und russische Wirtschaft sowie Politik ein nachvollziehbares Interesse hatten, ab Anfang der 2000er-Jahre ihre Energiepartnerschaft zu verstärken und mit Nord Stream über eine Pipeline zu verfügen, die sie unabhängig macht von unzuverlässigen Transferländern mit ganz eigenen Agenden, sieht es insbesondere im Falle der USA und Polens genau spiegelverkehrt aus. Sowohl in Washington wie in Warschau sah und sieht man eine zunehmende Zusammenarbeit von Berlin und Moskau seit Jahrzehnten mit Argusaugen und versucht alles, um diese zu verhindern. Wenn Drohungen in der Vergangenheit nicht halfen, wurde auch auf Gewalt zurückgegriffen. Erinnert sei nur an die Explosion der sowjetischen Tscheljabinsk-Pipeline im Sommer 1982 aufgrund einer CIA-Operation mit manipulierter Software. Diese brachte die Einstellungen von Pumpen, Turbinen und Ventilen der Gasversorgung so durcheinander, dass die Leitung explodierte. Die Explosion soll eine Sprengkraft von vier Kilotonnen gehabt haben. Zuvor hatten die USA ab Februar 1982 der Bundesrepublik Deutschland massiv mit Konsequenzen gedroht, würde man das im November 1981 mit der Sowjetunion abgeschlossene Industrieabkommen zum Bau von Pipelines und der Lieferung von sibirischem Erdgas im Gesamtvolumen von jährlich 16 Milliarden Mark nicht aufkündigen. Der Unterschied zu heute? Der damalige Kanzler Helmut Schmidt ließ sich nicht einschüchtern und erklärte an die USA gewandt: „Da können andere noch so viel quaken, es bleibt bei dem Geschäft.“ Jetzt bin ich weit davon entfernt, einen Helmut Schmidt zu idealisieren, aber der Unterschied zur Reaktion des derzeit noch amtierenden Kanzlers ist eklatant. Aufschlussreich ist übrigens auch die damalige Hauptbegründung des US-Kongresses für das Missfallen an dem Deal: „Unsere Geschäftsleute werden aus dem östlichen Markt heraus sein.“ Und damit sind wir auch wieder bei einem der Schlüsselergebnisse der Zerstörung von Nord Stream und des Sanktionsregimes gegen Russland. Es fällt ins Auge, dass sowohl das gesamte Business-Modell für das US-amerikanische Frackinggas als auch die im Verlauf der letzten Jahre getätigten umfassenden Investitionen auf polnischer Seite in LNG-Infrastruktur mit dem Ziel des weiteren Exports wirtschaftlich eigentlich nur Sinn machen, wenn die entsprechenden Akteure bereits bei der Planung davon ausgingen, dass man zeitnah in der Lage wäre, den deutschen sowie den weiteren EU-Gasmarkt für sich zu gewinnen. Dieses Ziel war aber nur erreichbar, wenn es Washington und Warschau gelingen würde, Russland als zentralen und etablierten Exporteur aus diesem Markt herauszudrängen. Was vor wenigen Jahren noch in den Augen vieler Experten als US-amerikanischer und polnischer Wunschtraum galt, ist nach den Ereignissen des 24. Februar und 26. September 2022 zu einer Tatsache geworden. Das berühmte i-Tüpfelchen ist dann natürlich die Ende November bekannt gewordene Tatsache, dass der bekannte US-Investor Stephen P. Lynch (wie zuerst die Washington Post berichtet hat) einen Antrag beim US-Finanzministerium gestellt hat, um den verbliebenen Strang von Nord Stream 2 zu kaufen. Lynchs Argumentation gegenüber dem US-Finanzministerium und US-Senatoren lautete wie folgt – ich zitiere kurz: „Dies ist eine einmalige Gelegenheit, die europäische Energieversorgung für den Rest der Ära der fossilen Brennstoffe zu kontrollieren. Dies dient den langfristigen Interessen der USA“. Bereits im Februar 2024 hatte Lynch beim US-Finanzministerium eine Lizenz beantragt und auch erhalten, die es ihm ermöglicht, mit Unternehmen, die derzeit US-Sanktionen unterliegen, über den Kauf der Pipeline zu verhandeln. Hintergrund ist das derzeit laufende Insolvenzverfahren gegen die in der Schweiz ansässige Nord Stream AG, in deren Besitz sich Nord Stream 2 befindet. Für das Schweizer Insolvenzverfahren gilt eine „harte Frist“ bis Januar 2025, danach steht die Liquidation und Versteigerung von Nord Stream 2 an. Es dürfte nach Ende des Krieges, so die weitere Argumentation des US-Investors gegenüber dem US-Finanzministerium, sowohl für Russland als auch für die ehemaligen Kunden in Deutschland und allgemein in Europa „verlockend“ sein, die Pipeline wieder in Betrieb zu nehmen, unabhängig davon, wem sie gehört. Aus dem politischen Raum in Washington ist zu hören, dass der künftige US-Präsident Donald Trump sich durchaus an dem Kauf interessiert zeigt, gerade auch vor dem Hintergrund, bei Verhandlungen mit Moskau über einen weiteren Trumpf in der Hinterhand zu verfügen. Als ich vorletzte Woche in der BPK Regierungssprecher Hebestreit ansprach, wie denn die Bundesregierung gedenkt, auf dieses Kaufvorhaben der USA zu reagieren, erklärte dieser: „ Da muss ich mich schlau machen. Ich habe zu dem, was Sie erwähnen, auch Meldungen gelesen, aber da habe ich keinen aktuellen Stand, da muss ich mich schlau machen.“ Es erübrigt sich wohl zu ergänzen, dass dazu von Hebestreit nichts mehr „nachgereicht“ wurde. Und damit kommen wir jetzt auch zur medialen und politischen Aufklärung bzw. Nicht-Aufklärung in der Causa Nord Stream Zunächst fällt auf, dass außer der Linkspartei, dann später BSW und der AfD keine weitere Bundestagsfraktion Interesse an einer Aufklärung zeigt. Entsprechende Anfragen an die Bundesregierung kommen nur von diesen kleineren Oppositionsparteien. Wobei die meisten Fragen der MdBs und genannten Fraktionen bzw. Gruppen, wie etwa nach entsprechenden Radaraufnahmen der Bundesmarine, von der Bundesregierung mit Verweis auf „Geheimhaltungsinteressen“ oder „Staatswohlgefährdung“ schlicht nicht beantwortet werden. Die mit Abstand größte Oppositionsfraktion im Bundestag, die CDU/CSU, hat keine einzige Anfrage zu Nord Stream an die amtierende Bundesregierung formuliert. Die Grünen zeigen sich, obwohl das von ihnen geführte Bundesumweltministerium auf Anfrage erklärte, dass das aus den Pipelines entwichene Gas wohl zu Emissionen von 7,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten führte, ebenso wenig an Aufklärung interessiert. Sinnbildlich für die Haltung der Ampelkoalition ist die Aussage des SPD-Bundestagsabgeordneten Timon Gremmels, der am 28. September 2022 im Namen der Ampel-Koalition anlässlich einer wegen der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines einberufenen „Aktuellen Stunde“ erklärte – ich zitiere: „ Es ist völlig gleichgültig, ob Nord Stream 1 und Nord Stream 2 nun Lecks haben, wie diese Lecks entstanden sind, ob das Anschläge waren, wer hinter den Anschlägen steckt, weil aus der einen Pipeline noch nie Gas gekommen ist und es aus der anderen seit Wochen kein Gas mehr gegeben hat. – Das ist völlig irrelevant.“ Das muss man – so finde ich, erstmal sacken lassen. Der Vertreter der größten Regierungspartei erklärt im Rahmen einer extra einberufenen Aktuellen Stunde im Bundestag wegen eines mutmaßlichen Terroranschlags gegen zivile Infrastruktur wortwörtlich: „ Es ist völlig gleichgültig, wer hinter den Anschlägen steckt.“ Und an dieser Haltung hält man in der Ampel, bzw. was davon übrig ist, bis heute fest. Die Justiz verhält sich ähnlich indifferent. Hier sei beispielhaft darauf verwiesen, dass im Oktober 2022 die russische Generalstaatsanwaltschaft die BRD um Zusammenarbeit bei der Aufklärung des Nord-Stream-Anschlags ersucht hat. In einer diplomatischen Provokation, die ihresgleichen sucht, hat das deutsche Justizministerium zunächst erstmal drei Monate gar nicht reagiert und dann ein Schreiben aufgesetzt, in welchem eine Zusammenarbeit abgelehnt wird. Begründung: „Beeinträchtigung wesentlicher Interessen der Bundesrepublik“. Diese Haltung besteht bis heute. Den sehr aufschlussreichen Schriftverkehr zwischen deutschen und russischen Behörden bzgl. der NordStream-Ermittlungen kann man im Dokumentensystem der UN nachlesen. Darüber, dass dieser Schriftverkehr im UN-Dokumentensystem veröffentlicht wurde, zeigte sich das deutsche AA übrigens sehr empört. Medial sieht das Aufklärungsinteresse nicht besser aus Monatelang zeigten sich bundesdeutsche „Leitmedien“ komplett desinteressiert an der Aufklärung des Terroranschlags gegen eines der teuersten zivilen Infrastrukturprojekte Europas. Das änderte sich schlagartig, als am 8. Februar 2023, wie bereits erwähnt, der bekannte Investigativjournalist Seymour Hersh eine Recherche veröffentlichte, in welcher er nachzeichnete, wie laut seinen Informationen US-Spezialeinheiten auf direkten Befehl von US-Präsident Joe Biden die Sprengungen durchführten. Danach gab es kein Halten mehr. Erst wurde versucht, Hersh und seine Recherche zu diffamieren, dann wurde mit eigenen „Recherchen“ nachgelegt. Keine „Theorie“ war zu abwegig, Hauptsache die USA waren nicht mehr als potenzielle Täter im Fokus. Sie kennen alle die von Tagesschau und Zeit als „investigativ“ verkaufte Segelschiff-Nummer (Andromeda) mit zwei Tauchern, die dann direkt nach Veröffentlichung korrigiert werden musste, weil man „plötzlich“ nach Leserhinweisen u.a. bemerkte, dass die unter Verweis auf angeblich mehrere Quellen angegebene Route über den Bodden am Wieck am Darß mit einer maximalen Wassertiefe von 2 Metern bei einem Boot mit einem Tiefgang von 2,3 Meter schlicht unmöglich war. Die Segelschiffnummer inklusive der auf dem Tisch der Andromeda versehentlich vergessenen Sprengstoffreste ist bis heute das dominante Narrativ in den Leitmedien und auch die Ergebnisse des Generalbundesanwalts weisen angeblich in diese Richtung. Den mit Abstand absurdesten Erklärungsansatz präsentierte im März 2023 dann die Süddeutsche , die mit Verweis auf „nordische Geheimdienste“ erklärte, ein ukrainischer Oligarch hätte sich den Terrorakt anlässlich seines Geburtstages am 26. September gegönnt und privat organisiert und finanziert. Der einzige bekannte ukrainische Oligarch, der an diesem Tag Geburtstag hat, ist übrigens der ehemalige ukrainische Präsident Poroschenko. Danach wurde angefangen, ausgehend von t-online , mit erneutem Verweis auf nordische Geheimdienste, den Finger wieder ganz direkt auf Moskau zu richten, denn „russische Kriegsschiffe“ hätten sich in mittelbarer Tatortnähe befunden. Betitelt wird das Ganze dann mit „Spuren des Anschlags führen nach Russland“. Als Seymour Hersh dann Ende September 2023 wiederum nachlegte und mit Verweis auf CIA-Quellen erklärte, dass Kanzler Olaf Scholz „voll im Bilde“ gewesen sei „über die geheimen US-Pläne zur Zerstörung der Pipeline“, herrschte wieder mehrheitlich Schweigen im bundesdeutschen Blätterwald. Auf meine diesbezüglichen Fragen in der Bundespressekonferenz gibt es die Standardantwort, die Bundesregierung sei nicht zuständig, ich solle mich doch an den Generalbundesanwalt wenden, der sei zuständig. „Herr Warweg, Sie wissen doch, wir leben hier in einer Demokratie mit Gewaltenteilung.“ Und diese „Antwort“ kommt, egal was ich frage. Dies auch bei Fragen, für die eindeutig die BR zuständig ist, etwa ob die BR dem Vorschlag China zustimme, die Untersuchungen zu Nord Stream international unter Aufsicht der Vereinten Nationen durchzuführen. Wenn man auf die Rolle der USA verweist und lediglich fragt, ob die Bundesregierung denn Informationen hat, die eine Täterschaft der USA ausschließen, dann heißt es, diese Unterstellung werde mit „Abscheu und Empörung“ zurückgewiesen. Und während es etwa zur Lage in Gaza durchaus kritische Fragen von Kollegen in der BPK gibt, wird das Thema Nordstream erstaunlicherweise wirklich von keinem anderen Journalisten in der BPK aufgegriffen. Fazit: Der Umgang mit dem Nord-Stream-Terrorakt wirft ein erschreckendes Licht auf den Zustand der deutschen Medienlandschaft. ARD , ZDF , ZEIT , Süddeutsche , Der SPIEGEL , kurz gesagt das gesamte Spektrum der deutschen „Leitmedien“, hat sich im Zuge der Nord-Stream-Ermittlungen dafür instrumentalisieren lassen, von Geheimdiensten und anderen staatlichen Behörden durchgestochene „Informationen“ in die Öffentlichkeit zu streuen, ohne dies in irgendeiner Form kritisch zu reflektieren. Im Gegenteil, die genannten Medien haben sogar die Unverfrorenheit, das allem Anschein nach völlig unverifizierte Durchreichen von Informationen „aus Ermittlerkreisen“ (siehe das schon erwähnte Beispiel „Wieck am Darß“) dem Leser als eigene „Recherche“ und „exklusiv“ zu verkaufen. Dass staatliche Behörden und insbesondere Geheimdienste ihre ganz eigenen Agenden haben und dafür auch im Zweifel Journalisten missbrauchen, scheint den sonst so auf ihre Reputation bedachten Redaktionen in Berlin, Hamburg oder München nicht in den Sinn zu kommen. Doch muss man sich mittlerweile fragen, ob das wirklich nur Naivität ist oder ob sich hier ein signifikanter Teil der Medienschaffenden bewusst instrumentalisieren ließ und lässt. Anbei noch ein paar Impressionen von meinen Vorträgen Ende letzter Woche zum Ermittlungsstand & dem medialen wie politischen Agieren in der Causa #NordStream . Eingeladen hatten die NDS-Gesprächskreise Schweinfurt und Würzburg in Kooperation mit den Freidenkern. Gab eine… pic.twitter.com/uZLOkk4UG6 — Florian Warweg (@FWarweg) December 16, 2024 Hinweis der Redaktion: Kontakt zu den jeweiligen Gesprächskreisen der NachDenkSeiten in Ihrer Region können Sie hier aufnehmen . Termine und Veranstaltungen finden Sie hier . Titelbild: Florian Warweg beim Vortrag in Würzburg am 14. Dezember 2024 – Quelle: Anja Simon Mehr zum Thema: US-Investor will Nord Stream kaufen und 50 Millionen Euro für Hinweise zu den Tätern des Anschlags Nord Stream als Kriegsgrund Zweiter Jahrestag Nord-Stream-Anschlag: Rolle der Ukraine und Schlussfolgerungen der Bundesregierung Ab wann war Scholz über BND-Erkenntnisse zur Rolle Kiews bei Nord-Stream-Anschlag informiert? Antwort der Bundesregierung zum Stand der Nord-Stream-Ermittlungen überführt CDU-Außenpolitiker Kiesewetter der Lüge…
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1 Deutsche Staatsräson: Mit Terroristen paktieren … 21:40
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21:40Ein weiteres Denkmal erschütternder Unmenschlichkeit und Dummheit der US-Weltmacht-Politik ist enthüllt: die rauchenden Trümmer Syriens, darunter liegend eine halbe Million Tote . Das Ergebnis 13 Jahre andauernder Bemühungen, die überkonfessionelle Regierung in Damaskus zu stürzen. Vorgeschobene Begründung: „Machthaber“ Assad sei ein brutaler Gewaltherrscher. Wahrscheinlich war er das tatsächlich, ob willentlich oder nicht. Tatsache ist aber auch, dass seine Dämonisierung dazu diente, die geostrategischen und energiepolitischen Interessen des „Wertewestens“ an Syriens Unterwerfung zu verschleiern. Das Land ist jetzt dazu bestimmt, im gleichen Chaos zu versinken wie Libyen, nachdem es Barack Obama und Hillary Clinton 2011 von Gaddafi „befreit“ hatten. Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der Umgang des „Wertewestens“ mit Syrien ist traditionell von Zynismus, Heuchelei, Grausamkeit und Rechtsnihilismus geprägt. Deutschland war ein Vorreiter und bleibt auch nach der Machtübernahme der Dschihadisten bei diesem Politikstil. Unser Berliner Regime ist ein Produkt der Parteien-Oligarchie und damit nicht zur Selbstkorrektur fähig – ebenso wenig wie der ihm angegliederte Staatsfunk. Dessen „Informationsangebot“ über Syrien (und andere Teile der Welt) stellt ein gleich großes Grundübel dar wie das Nachrichtenprogramm seiner kommerziellen Konkurrenz. Alle beschönigen die jetzt herrschenden Dschihadisten als „Moderate“, wollen aber nicht erklären, wie „gemäßigter Terrorismus“ geht. Unfähige politische Wichtigtuer wie die deutsche Außenministerin erklimmen in schneller Folge wahre Gipfel verlogener Selbstgerechtigkeit. Baerbock über den Umsturz in Damaskus : „… dass wir uns in unserer Politik nicht von Resignation oder auch von nationalen Interessen treiben lassen, … sondern dass wir gerade in schwierigsten Zeiten, in schwierigsten Momenten, für unsere Werte und unsere Interessen einstehen und an der Seite derjenigen stehen, die weltweit für Frieden und Freiheit kämpfen. Wir haben … erlebt, dass unsere Werte und Interessen, nämlich die Sicherung von Frieden, von Freiheit und von Sicherheit, in einer globalisierten Welt maximal miteinander vernetzt sind. Und wir haben eben auch immer wieder erlebt, wie wichtig es ist, dass wir deutlich machen: Jedes Menschenleben zählt, und jedes Menschenleben ist gleich viel wert .“ Der gepeinigte Hörer resigniert angesichts derart konfuser Phrasendrescherei. Frei nach Max Liebermann : „Ick kann jarnich so ville fressen, wie ick kotzen möchte.“ „Humanitäre Hilfe“ für Terroristen Im Syrienkrieg war nie erkennbar, dass dem „Wertewesten“ am Schutz von Menschenleben lag. Deutschland, führender Handlanger der USA und EU-Hauptakteur, machte gemeinsame Sache mit islamistischen Kopfabschneider-Milizen. Unterm Scheinheiligen-Schein „Wir sind die Guten!“ unterstützten wir nicht nur die Terroristenhochburg Idlib im syrischen Nordwesten mit Euro-Millionen. Die Verantwortung für das IS-Massaker an 700 Dörflern im August 2014 im nordöstlichen Deir-Essor – nur eines von vielen ähnlich grauenhaften Verbrechen – fällt den USA und dito ihren deutschen „ partners in leadership “ zu, denn auch das IS-Gesindel ist eine wertewestliche Ausgeburt . Opfer der Massaker interessierten die westlichen Politiker und deren journalistische Aktenkofferträger nicht bzw. nur dann, wenn sie sich öffentlichkeitswirksam gegen „Machthaber“ Assad verwenden ließen. Doppelmoral war seit dem zweiten Golfkrieg („Koalition der Willigen“ gegen den Irak) Standard der „Informationspolitik“ hierzulande. Die USA wollten Syrien unterwerfen und dauerhaften Zugriff auf seine Rohstoffressourcen haben. Das war Teil ihres Chaosplans , den Nahen und Mittleren Osten zu „balkanisieren“, um die gesamte Region – den Iran eingeschlossen – kontrollieren und ausbeuten zu können. Der Weltöffentlichkeit gaukelten sie humanitäre Absichten vor, wenn sie (Bürger-)Kriege inszenierten und Leichenfelder hinterließen, Verwüstung, unvorstellbare Armut und Flüchtlingsströme von Millionen Menschen hervorriefen – im Iran , in Afghanistan , im Irak , in Somalia , im Sudan , in Libanon , in Libyen und in Syrien . Das zu durchschauen sollte Teil der politischen Erkenntnisfähigkeit sein. Von unserer Außenministerin darf man es füglich nicht erwarten; von Tagesschau-Redakteuren auch nicht. Umsturz nach US-Plänen Was leider kaum bekannt und dennoch Tatsache ist: Das syrische Drama war schon 1996 von den USA erdacht und vorgeplant worden. Details wurden dank der Wikileaks-Veröffentlichung eines vertraulichen Berichts aus dem Jahr 2006 bekannt, der die US-Vorgehensweise skizzierte: Die Unterstützung sunnitisch regierter Länder wie Saudi-Arabien und Ägypten gegen das säkular regierte Syrien gewinnen Unzufriedenheit und Zwietracht zwischen den konfessionellen und ethnischen Gruppierungen in Syrien bis zum Ausbruch von „Unruhen“ schüren Eine Medienkampagne zur Verbreitung von „schmutziger Wäsche“ über das syrische Regime inszenieren Schlagworte für die Agitprop waren schnell gefunden. Klassisch: „ Machthaber / Schlächter Assad führt Krieg gegen das eigene Volk“ Diese Bezichtigung übernahmen alle deutschen Massenmedien ohne kritische Prüfung, vorneweg die Tagesschau . Dabei „vergaßen“ sie, dass eine deutsche Regierung mit Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) keine Skrupel hatte, einen von der CIA verschleppten und gefolterten deutschen Staatsbürger im syrischen Gefängnis von Beamten des BKA verhören zu lassen . Schäuble bestand trotz aller rechtsstaatlich begründeten Kritik darauf, dass seine Behörden „Erkenntnisse“ nutzten , die in ausländischen Folterkellern gewonnen worden waren. Deutschland weichte das Folterverbot auf . Voll grausiger Heuchelei und Selbstgerechtigkeit berichtet unsere Journaille jetzt zwar umfangreich und detailbesessen über „Assads Foltersystem“. Die Tagesschau trug dazu allein im Dezember dutzendmale bei. Dass unsere „Schutzmacht“ USA selbst Weltmeister im Foltern politischer Häftlinge war, bleibt sorgsam außer Betracht. Obwohl es naheläge, auf die CIA-Geheimgefängnisse – Black Site – hinzuweisen: nämlich im benachbarten Polen und in weiteren fünf europäischen Ländern, im Irak, in Jordanien, Pakistan, in Fernost, in den USA selbst. Dass die USA ihre Folterpraxis – siehe auch Guantanamo, von den ständig in Bewegung gehaltenen Folterflugzeugen und Folterschiffen ganz zu schweigen – nicht aufgeben, suchen sie vergeblich zu verbergen . Kumpanei mit Terroristen Die USA unterstützten die Terroristen in Syrien zunächst mit Geld, dann mit Waffen und schließlich mit einer Interventionsarmee , die bis heute mit mehr als 2.000 Mann den syrischen Nordosten besetzt . Vorgeblich diente das nur der Bekämpfung des außer Kontrolle geratenen, mordenden und plündernden IS. In Wirklichkeit handelte es sich bei der völkerrechtswidrigen US-Intervention um die militärische Unterstützung von Dschihadisten gegen die reguläre syrische Armee und forderte nach seriösen Schätzungen in deren Reihen mindestens 50.000 Tote . Den Vorwurf „Kumpanei mit Terror-Milizen“ suchten die USA und ihre EU-Vasallen mit der Begriffsschöpfung „moderate Rebellen“ zu widerlegen. Damit werden die Hirne der Öffentlichkeit so lange püriert, bis sie den Widersinn nicht mehr wahrnimmt, dass islamistische Mörder zwar in Deutschland und in der EU aufs Schärfste verfolgt, aber in Syrien geschmiert und gehätschelt werden. (Wir kommen auf dieses Thema noch zurück). Für den „Sieg“ über den Assad-Staat waren die Aktivitäten der Terroristen weit weniger entscheidend als das unmenschliche, vor 13 Jahren verhängte Wirtschaftsembargo des Wertewestens. Der European Council on Foreign Relations befand vor fünf Jahren, dieses Sanktionsregime bewirke „ massive Zunahme von Armut und Hunger“ ; man müsse diese Zwangsmaßnahmen als „Politik der verbrannten Erde“ einstufen, „ die unterschiedslos und willkürlich gewöhnliche Syrer bestraft .“ Das scherte die Regierungen der USA und der EU aber einen Dreck. Ein paar Zahlen zum Elend, das sie willentlich hervorriefen: Das jährliche syrische Bruttosozialprodukt pro Kopf sank von 2010 bis 2020 um 68,8 Prozent auf 780 Dollar. Die Wareneinfuhr verringerte sich von 2010 bis 2023 um 91,7 Prozent (!) auf nur sechs Milliarden Dollar. Die Warenausfuhr ging um 94 Prozent zurück. Im Ranking des Human Development-Index (193 Länder) fiel Syrien auf Platz 153. Mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung hungert . 90 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze . „Rund fünf Millionen Menschen sind in die Nachbarländer Syriens geflohen, mehr als sieben Millionen sind innerhalb des Landes vertrieben worden – darunter sehr viele Kinder .“ Kriminelle Politik 500.000 Syrer sind in diesem 13-jährigen wertewestlichen Krieg gegen Syrien umgekommen. Aufgemerkt, Frau „Jedes-Menschenleben-ist-gleich-viel-wert“- Baerbock: Die eigenmächtigen Sanktionen der USA, der EU und Deutschlands haben dieses Massensterben wesentlich mitverursacht. Sie waren und sind völkerrechtswidrig und wurden von der UN-Generalversammlung sowie vom UN-Menschenrechtsrat Jahr für Jahr verurteilt . Sie, werte Frau Ministerin, lassen zwar Ihren Kopf auf Steuerzahlers Kosten für 11.000 Euro pro Monat kosmetisch aufbrezeln, das steigert dessen Aufnahmebereitschaft aber leider auch nicht. Es wäre ein Wunder. Direkte humanitäre Hilfe für Assad-Syrien wurde, soweit sie von dritter Seite kam, nach Kräften behindert. Nur in geringem Umfang gelang sie den Vereinten Nationen, einigen Hilfsorganisationen und privaten Initiativen wie dem Verein „ Freundschaft mit Valjevo .“ Die Regierungen des Wertewestens beschränkten ihre Hilfe auf die Terroristen-Provinz Idlib, auf die östlich daran angrenzende, von der Türkei besetzte Sperrzone und auf den von Kurden mithilfe der USA kontrollierten syrischen Nordosten. Die Unterstützung für Idlib nützte zunächst der al-Qaeda und dann deren Ableger Jabhat al-Nusra , der sich schließlich in Hayat Tahrir al-Sham (HTS) umbenannte . In ihren Machtbereich flossen Hunderte Millionen Dollar, während die Bewohner Assad-Syriens die Last unmenschlicher westlicher Sanktionen zu tragen hatten. Ein perfides Embargo der USA, der „ Caesar Act “, verfügt während der ersten Amtszeit Donald Trumps, richtete sich formal gegen die syrische Staatsbank, machte aber praktisch das wenige Geld der Ärmsten vollends wertlos. Vor Beginn des Krieges gegen Assad kostete der US-Dollar 47 Syrische Pfund – 13 Jahre später, Anfang Dezember 2024, mehr als 14.400. Zusätzlich erklärte Trump („ We keep the oil! “), die USA behielten das syrische Öl, was selbst die US-amerikanischen Massenmedien sofort als Kriegsverbrechen brandmarkten . Lakaien-Gesinnung Nicht so Deutschlands Regierende und deren journalistische Helfershelfer. Die unterschlugen die hemmungslose, bis heute fortgeführte Plünderei der USA . Wirtschaftsminister Habeck: „Je stärker Deutschland dient, umso größer ist seine Rolle.“ Eben: Ein Diener kritisiert die Schweinereien seiner Herrschaft nicht, er kuscht und hält das Maul. Die Provinz Idlib war seit dem Eingreifen Russlands gegen den islamistischen Terror Zufluchtsort von Kopfabschneidern und Dschihadisten verschiedenster Richtungen. Im deutschen Sprachgebrauch wurden diese als „gemäßigte Rebellen“ verharmlost und vom damaligen Außenminister Steinmeier, heute Bundespräsident, sogar salonfähig gemacht . Im Gegensatz zur deutschen Justiz: Die geht gegen Mitglieder und Unterstützer von Dschihadisten-Formationen als „terroristische Vereinigungen“ mit begründeter Härte strafrechtlich vor. So verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart einen syrischen Islamisten zu unwiderruflich lebenslänglicher Haft, weil er an der Gefangennahme und Hinrichtung von Beschäftigten des syrischen Regimes und ihm nahestehenden Personen beteiligt war. Er gehörte zur Terrormiliz „Jabhat al-Nusra“, die zur Tatzeit (2013) von Emir Abu Muhammad al-Jaulani angeführt wurde – demselben Verbrecher, der jetzt anstelle Assads herrscht. (Bundeskanzler Scholz: „ Eine gute Nachricht . “ Dem Sozi-Radieschen – außen rot und innen weiß – ist ja auch sonst nicht zu helfen) Urteilsbegründung des Gerichts vom 31. Januar 2020 : „ Ihre Ziele verfolgten die Jabhat al-Nusra bzw. deren Nachfolgeorganisationen … durch militärischen Bodenkampf, Sprengstoffanschläge, Entführungen vorwiegend westlicher Staatsangehöriger, gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militärs und Sicherheitsapparates … Insgesamt hat die Jabhat al-Nusra bis Ende 2014 in Syrien mehr als 1.500 Anschläge verübt, bei denen mindestens 8.700 Menschen getötet wurden.“ Nach deutschem Rechtsverständnis ist al-Jaulani als Anführer der Terroristenbande ein Massenmörder. Die Tagesschau erwähnt allerdings nur seine Zugehörigkeit zur Terrormiliz „Jabhat al-Nusra“ als der HTS-Vorläuferin. Seine schwerstkriminelle Vergangenheit und Schuld an der Ermordung von 8.700 Menschen unterschlug sie. Er habe mit der Terrormiliz Jabhat al-Nusra gebrochen, sich zum „pragmatischen Radikalen“ und HTS-„Milizenführer“ gewandelt und gebe sich jetzt einen staatsmännischen Anschein . Schmieranterie statt Journalismus Kein klares Wort darüber, dass er nach dem „Bruch“ mit der al-Nusra unter der Flagge „HTS“ mindestens 549 weitere Morde begehen ließ, darüber hinaus Folterungen, Entführungen, Raub, sexuellen Missbrauch von Gefangenen und andere schwere Verbrechen. Dokumentiert sind 22 Foltermethoden , die in den HTS-Gefängnissen angewandt wurden. Doch Tagesschau.de brachte zu diesem Komplex nur den Hinweis, al-Jaulanis HTS werde „von Bewohnern und Menschenrechtsgruppen brutales Vorgehen gegen Andersdenkende vorgeworfen“. Das ist kein Journalismus mehr, sondern was zum Speien. Die USA, die EU und Deutschland listeten al-Jaulanis HTS zwar als Terrororganisation, Washington setzte sogar zehn Millionen Dollar Kopfgeld auf den Mann aus. Man ließ ihn aber in Idlib unbehelligt agieren. Er konnte eine Art Zivilverwaltung („Syria Salvation Government“, SSG) für die rund vier Millionen Bewohner der Provinz installieren, Lebensmittelversorgung, Müllabfuhr und weiteren Bürgerservice organisieren und sich zum Ansprechpartner für die zahlreich in der Region tätigen internationalen Hilfswerke aufschwingen. Der Westen finanzierte ihn. Mithilfe korrupter NGOs umging er alle Sanktionen gegen sich und seine Terrororganisation. Als die Bundesregierung in den Jahren 2018 und 2020 insgesamt 175 Millionen Euro humanitäre Hilfe für Idlib zahlen wollte, warnten AfD und Linkspartei vor Zweckentfremdung zugunsten der HTS-Terroristen. Die Regierung wies das zurück und behauptete, es gebe ein Prüfsystem, das Missbrauch ausschließe . Das ist nach den aktuellen Erkenntnissen nicht mehr glaubhaft und bedarf einer parlamentarischen Untersuchung. Nicht nur die Tagesschau , sondern der gesamte polit-mediale Mainstream bemäntelt oder ignoriert einfach den mörderischen Charakter der HTS und ihres Anführers. BILD : „Rebellenführer“. Die TAZ , Leib-und Magenblatt der Grünen: „ überzeugter konservativer Salafist “. Das ZDF : „Rebellenallianz unter Führung der islamistischen Gruppe HTS“. So werden der Massenmörder al-Jaulani und seine Terroristenbande zusehends in den Stand von respektablen Leuten erhoben. Die USA haben schon das Zehn-Millionen-Kopfgeld auf ihn annulliert . Ministerin Baerbock schickte ihre Diplomaten zur Audienz des neuen syrischen Superstars nach Damaskus . Und machte ihm am 3. Januar gleich selbst ihre Aufwartung . Die EU-Außenbeauftragte Kallas tönte: „Wir fordern alle Akteure auf, weitere Gewalt zu vermeiden, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten und das Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts, zu achten . Als ob sie bezüglich Syriens etwas zu melden hätte, dessen Zukunft jetzt von Trump und Erdogan abhängt. Und als ob mehr als 9.000 HTS-Opfer sofort vergessen werden dürften, wenngleich für deren Tod vorerst niemand zur Rechenschaft gezogen wird. Sein Biedermann-Gewand wird der aktuelle Machthaber al-Jaulani nicht lange tragen. Die neue HTS-Herrschaft mordet weiter . Unter Schirmherrschaft der räuberischen USA und mit Beihilfe ihrer Vasallen wird die Unterdrückung und Ausplünderung Syriens fortgesetzt. Die Frage „Sind Syriens strategische Lage, sein Öl und der Machwechsel in Damaskus eine halbe Million Menschenleben wert?“ stellt kein Polit-Promi. Die Bundesregierung hat ihren moralischen Bankrott erklärt. Das medienseitig nicht- oder fehlinformierte Publikum hüllt sich mehrheitlich in Schweigen. Eine zynische, käufliche, demagogische Presse wird mit der Zeit ein Volk erzeugen, das genauso niederträchtig ist wie sie selbst . Das ist erweislich wahr. Titelbild: Außenministerin Annalena Baerbock (verpixelt) mit Syriens De-facto-Machthaber Ahmed al-Sharaa: Dieses Bild veröffentlichen Kanäle, die der nun an der Macht befindlichen HTS (früher Al-Kaida) nahestehen. Quelle: Telegram/@ALMHARAR Mehr zum Thema: Volker Bräutigam: „Die Redaktion verletzt damit journalistische Grundregeln“ Das Berliner Kriegskabinett auf Beutezug „Hunger als Waffe“ – Baerbocks gehässige Zwecklüge EU-Kommission: Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien nur bei Schließung der russischen Militärbasen Landeten deutsche Hilfsgelder und Ausrüstung für Kiew bei den HTS-Dschihadisten-Verbänden in Syrien?…
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1 Stimmen aus der Ukraine: Der Ausverkauf meiner Heimat an BlackRock und Co. 6:32
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6:32In der Ukraine wird ein dramatischer Ausverkauf von landwirtschaftlichem Boden und strategischen Ressourcen an westliche Konzerne wie BlackRock, Cargill und Co. vorangetrieben. Trotz des Krieges und der angeblichen Hilfsmaßnahmen für bedürftige Länder fließt der Großteil des ukrainischen Getreides in die wohlhabende “erste Welt”. Kritiker werfen der Regierung unter Selenskyj vor, den Landverkauf an ausländische Investoren voranzutreiben, während die Bevölkerung und die Zukunft des Landes auf der Strecke bleiben. Von Maxim Goldarb . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. „ Amerikanische und saudische Investitions- und Agrarindustrieunternehmen kaufen derzeit massenhaft ukrainisches Agrarland auf. Dabei handelt es sich insbesondere um Bunge Limited, Oaktree Capital Management, BlackRock, ADM und Cargill, die die Kontrolle über einen Großteil der ukrainischen Agrarflächen erlangt haben.“ – Barbara Bonthe, belgische Abgeordnete des EU-Parlaments. Erinnern Sie sich noch daran, wie Selenskyj und seine Partner vor ein paar Jahren viel Lärm machten und durch alle von ihnen kontrollierten Medien und Diplomaten über die Notwendigkeit eines “Getreidekorridors” schrien, durch den ukrainisches Getreide angeblich in bedürftige Länder gelangen würde? Ich habe damals darauf hingewiesen, dass es bei einem Lärm von solcher Kraft und Lautstärke kaum um bedürftige Länder gehen kann – Selenskyj und seine Partner sind weit entfernt von Hunger und Not. Und so sah es in der Realität aus: Die bedürftigen Länder erhielten drei Prozent der exportierten Waren, der Rest ging an die nicht so Bedürftigen in der sogenannten Ersten Welt. Es wurde einfach exportiert, und zwar von den von der belgischen Abgeordneten genannten internationalen Konzernen – daher auch das gleichgeschaltete Geheul. Wissen Sie etwas über die Milliardenbeträge aus den Getreideexporten, die in den Haushalt des Landes fließen? Nein? Und Sie werden es auch nicht wissen – so etwas gab es nicht. Das waren bestenfalls Steuern aus den Umsätzen der Getreidekonzerne, die dann durch korrupte Machenschaften unter dem Deckmantel der Mehrwertsteuerrückerstattung dem ukrainischen Haushalt entzogen wurden. Schon vor dem Krieg wurden auf Selenskyjs Initiative und unter seiner Kontrolle Gesetze erlassen, die den Verkauf von ukrainischem Land an Ausländer erlaubten. Und der Krieg hat dazu beigetragen, dass diese Idee für die Geschäftsleute und diese Regierung günstiger und mit weniger Widerstand zu realisieren war. Dies wird von einem anderen anständigen europäischen Politiker, dem ehemaligen Mitglied des Europäischen Parlaments Mick Wallace aus Irland, bestätigt. Er erklärte, an Selenskyj gewandt: „ Sie haben zum Verkauf von ukrainischem Land an westliche Konzerne beigetragen. Wir müssen akzeptieren, dass die Städte und das umliegende Land vor langer Zeit von lokalen Oligarchen gestohlen wurden, die mit dem globalen Finanzkapital unter einer Decke stecken. Selenskyj hat diesen Konflikt genutzt, um den Landverkauf zu beschleunigen. Er hat Oppositionsparteien verboten, die gegen das Gesetz zum Verkauf von Land an ausländische Investoren waren.“ Die ukrainischen Behörden unter der Führung von Selenskyj unterzeichneten eine Art globales (so klang es für die Ukrainer) Investitionsabkommen mit dem größten amerikanischen Investitionsräuber – BlackRock. Haben Sie schon einmal etwas über „globale Investitionen” in der Ukraine gehört? Nein, natürlich nicht! Denn es gibt sie nicht und es kann sie auch jetzt nicht geben – niemand, der bei klarem Verstand ist, wird Geld in ein vom Krieg zerrissenes Land investieren, dessen Zukunft für alle Beteiligten eine große Frage ist. Ich gehe davon aus, dass dieses Pseudo-Investitionsgeschäft ein Vorwand ist, unter dem ukrainische Vermögenswerte an amerikanische “Investoren” für aufgeblasene, erfundene, künstliche Schulden sowie für Waffen übergeben werden. Zunächst einmal – Land plus Schuldverschreibungen der Ukraine, die durch das restliche ukrainische Vermögen und das Einkommen und die Ersparnisse der übrigen Bevölkerung des Landes abgesichert werden sollen. Die Mechanismen der Realisierung eines solchen Vorwands sind sehr einfach: Aufrechnung von Forderungen, Rückzahlung von gegenseitigen Verpflichtungen und so weiter. Dies ist eine Frage der Technik, nicht des Prinzips. Offensichtlich ist das Ministerkabinett der Ukraine zu diesem Zweck mit der dringenden Privatisierung strategischer Objekte des Landes befasst, insbesondere des Unternehmens “Energoatom”, das die Kernkraftwerke des Landes (die sich noch in Staatsbesitz befinden), die staatlichen Banken und die Häfen vereint: Die Gläubiger, die sich die Situation ansehen, legen Rechnungen zur Zahlung vor. Im Prinzip ist bereits alles von ihnen entschieden worden. Übrigens ist Selenskyjs Vorschlag an Trumps Team, „den ukrainischen Untergrund gemeinsam zu erschließen” (die Oberfläche wurde offenbar bereits an ein anderes Team vergeben), aus derselben Richtung. Geschäftlich, nicht persönlich. Genauso patriotisch. Ich fürchte, dass die Bürger der Ukraine, die es schaffen, lebend von der Front nach Hause zurückzukehren, mit den neuen Herren konfrontiert werden, die über alles Wertvolle, das einst dem Land und dem Volk gehörte, verfügen. Titelbild: Shutterstock AI Generator Mehr zum Thema: Stimmen aus der Ukraine: Wie Kiew jeden Kritiker zum Staatsverräter erklärt Stimmen aus der Ukraine: Welche europäischen Werte „verteidigt“ Selenskyj eigentlich? Stimmen aus der Ukraine: Wie meine Heimat wegen des neuen Mobilisierungsgesetzes zum Ghetto wird Offener Brief von ukrainischen Linken an die internationale Sozialdemokratie Verfolgung von Oppositionellen in der Ukraine: Maxim Goldarb und die Haltung der Bundesregierung…
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1 „Epstein war ein wichtiges Zahnrad in einem globalen Machtapparat“ 14:16
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14:16Abgründig – das ist der Fall des umtriebigen, im Gefängnis verstorbenen Jeffrey Epstein . Missbrauch, Kompromat, Politik, Geheimdienste: Vieles wird mit dem Leben und Wirken des US-Amerikaners, der eigentlich Lehrer war, aber zu seinem Lebensende mehrere Hundert Millionen US-Dollar schwer gewesen sein soll, in Verbindung gebracht. Der Journalist und Filmemacher Tahir Chaudhry hat in einem exzellent recherchierten Buch den Fall Epstein ausgeleuchtet. Über Ab- und Hintergründe spricht er im Interview mit den NachDenkSeiten. Von Marcus Klöckner . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Marcus Klöckner: „Kundenbindung läuft über sogenannte Fickpartys“ – so steht es im Vorwort zu Ihrem Buch. Was ist damit gemeint? Und: Damit sind wir dann auch direkt beim Fall Epstein, oder? Tahir Chaudhry: Das schreibe nicht ich, sondern der ehemalige Hedgefonds-Milliardär Florian Homm . Er war selbst Teil der Finanzelite, für die es eine gängige Methode ist, Geschäftsleute und Kunden durch sexuelle Exzesse zu binden und gleichzeitig erpressbar zu machen. Es geht um strategische Machtsicherung und Sex als Währung, um Netzwerke zu sichern und Hierarchien zu festigen. Sexualität ist nun mal eine der stärksten menschlichen Triebkräfte. Sie öffnet Menschen auf der intimsten Ebene, senkt Hemmungen und überlagert rationales Denken. Sexuelle Verführung ist vielleicht das effektivste Einfallstor und Lockmittel für den Zugang zu Macht und Kontrolle. Erstens, sie kann Menschen dazu bewegen, sensible Informationen preiszugeben und sie in kompromittierende Situationen zu bringen, die sie manipulierbar machen, aus Furcht vor sozialem und beruflichem Ruin. Ich würde tatsächlich noch einen Schritt weiter gehen und die Erpressten nicht nur als Opfer sehen, sondern als bewusste Mitspieler. Viele von ihnen könnten bereit gewesen sein, die Gefahr der Kompromittierung in Kauf zu nehmen, um Zugang zu elitären Netzwerken zu erhalten, die Figuren wie Epstein verwalteten. Bevor wir tiefer einsteigen: Wie würden Sie jemandem, der noch nie von Epstein gehört hat, erklären, wer er war? Aber auch: Warum ist eine Auseinandersetzung mit dem Fall Epstein von Interesse? Epstein war ein sehr wohlhabender, intelligenter, charismatischer und mysteriöser Mann, der Einfluss bis in die höchsten Kreise von Politik, Wirtschaft und Kultur hatte. Er sammelte gezielt potenziell schädigende Informationen über einflussreiche Menschen und fungierte dann als eine Art Informationsbroker, der die Interessen verschiedener Machtzirkel bediente. Warum man das alles wissen muss? Diese Frage stelle ich mir als Journalist eher selten, denn für mich zählt in erster Linie die Suche nach der Wahrheit – unabhängig davon, wie unbequem sie ist. Aber für den Leser, den Rezipienten liegt der Nutzen auf der Hand: Es wäre schon ganz nett, wenn mir jemand sagen würde, dass es nur eine Fata Morgana ist, der ich hinterherjage; dass all die Energie und Hoffnung, die ich darauf projiziere, sich am Ende in Luft auflösen werden. Hinter der Fassade demokratischer Institutionen und Prozesse agieren auch Kräfte, die nicht vom Volk gewählt wurden, aber dennoch die Macht ausüben. Diese „Beherrscher unserer Herrschenden“ manipulieren die Abläufe der Demokratie, nutzen Einfluss, Geld und Kontrolle, um Entscheidungen in ihrem Sinne zu lenken. Lassen Sie uns noch etwas vorab genauer klären. Es gibt einen „Fall Epstein“, damit setzt sich ihr Buch auseinander. Es gibt aber auch einen größeren Rahmen, der mit einer eiskalten Politik, mit Kapital und mit Geheimdiensten zu tun hat. Auch damit setzen Sie sich auseinander. Den Fall Epstein kann man nicht verstehen, wenn man die Perspektive nicht erweitert. Wird die Perspektive erweitert, besteht die Möglichkeit, zu begreifen, dass es Teile im Finanzsektor, aber auch der Politik gibt, deren Abgründe tiefer sind, als es viele wahrhaben wollen. Würden Sie dem zustimmen? Lässt sich das so sagen? Ja, vollkommen. Die internationale Elite der multinationalen Konzerne – wenige Hundert Familien, einige Tausend Milliardäre – streben unermüdlich nach mehr Kapital, mehr Macht und mehr Kontrolle. Mit ihrer Dominanz im Finanzsektor und ihrer Beherrschung zentraler Rohstoffe und Produktionsmittel lenken sie über ein dichtes Netzwerk aus Lobbygruppen, Stiftungen, Medien sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen ganze Gesellschaften. Der Bürger wird in einem System gefangen, das ihn durch ständig geweckte “Bedürfnisse” in endlosen Konsum drängt, während die Profiteure dieser Maschinerie an den Schalthebeln der globalen Macht sitzen. Doch selbst diese scheinbar gottgleichen Akteure des Finanzsektors sind nicht unfehlbar – sie haben Schwächen. Und da kommen Akteure wie Epstein ins Spiel. Ja, denn sie verstehen Kapital in all seinen Formen – sei es Geld, Macht oder der Mensch selbst – und nutzen die Schwächen dieser Eliten gezielt, um Abhängigkeit und Kontrolle zu schaffen. Für sie ist der Mensch oft nur eine Ressource mit einem Preis, den es auszuhandeln gilt. Epstein war also ein wichtiges Zahnrad in einem globalen Machtapparat. In meinem Buch verdichte ich zahlreiche Indizien, die keinen anderen Schluss zulassen als den, dass Epstein ein Mann der Geheimdienste wie dem Mossad und der CIA war. Er agierte nicht, wie oft im Mainstream behauptet wird, allein zu seinem eigenen Vorteil, sondern verfolgte strategische Ziele im Auftrag dieser Machtzirkel. „ Die Finanzbranche, einschließlich der ihnen übergeordneten Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Zentralbanken, ist fast überall von Geheimdiensten durchdrungen.“ Auch das steht im Vorwort. Ja, der IWF, die Weltbank, die Zentralbanken, aber auch die Weltgesundheitsorganisation, die Welthandelsorganisation und sogar die Vereinten Nationen selbst sind Ordnungsinstrumente für das “Chaos der Welt”. Ihre Grundideen mögen nobel und löblich gewesen sein – gedacht, um Frieden, Gerechtigkeit und Stabilität zu fördern –, doch inzwischen dienen sie primär den Interessen von Eliten, die in der nördlichen Hemisphäre leben und globale Kontrolle ausüben. Florian Homm gehörte zum Geldadel, der sich selbst als „Masters of the Universe“ betrachtete. Geld ermöglicht vieles – Macht, Ressourcen und Einfluss –, doch die höchste Stufe ist aus meiner Sicht der Zugang zu umfassenden Informationen. Der Informationsadel, der das Wissen und dessen gezielte Nutzung kontrolliert, steht über allem. Das Vorwort hat Florian Homm verfasst. Kurz: Wer ist er? Wie konnten Sie ihn für ein Vorwort gewinnen? Florian Homm ist ein ehemaliger Hedgefonds-Manager, der einst als Symbol des Raubtierkapitalismus galt und zu den mächtigsten Akteuren der internationalen Finanzwelt zählte. Er gehörte laut dem Manager Magazin in den 2000er-Jahren zu den 15 aggressivsten und mächtigsten Investoren Deutschlands. Ihn lernte ich in meiner journalistischen Ausbildungszeit kennen. Im Auftrag einer großen deutschen Redaktion wurde ich zu ihm geschickt, um ihn im Rahmen eines Porträts „fertigzumachen“. Ziel war es, Homm durch ein kritisches Interview für den Artikel zu demontieren. Ich lehnte ab, weil ich den Menschen Homm kennenlernte, der durch manche Höllen gegangen war, um zu verstehen, dass er sich auf einem Irrweg befand. Das mit dem Artikel wurde zwar nichts, aber wir wurden Freunde. Vor der Abgabe des Manuskripts fragte ich ihn, ob er bereit wäre, das Vorwort für mein Buch zu schreiben, und zu meiner Überraschung sagte er sofort zu. Lassen Sie uns etwas genauer in den Fall Epstein einsteigen. Epstein war eigentlich Lehrer, aber er war auch Investmentbanker und Vermögensverwalter. Epstein war sehr reich, mächtig. Sie schreiben von einem Vermögen von einer halben Milliarde. Er bewegte sich in der High Society, oder vielleicht genauer: Die „feine Gesellschaft“ bewegte sich bei ihm. Er war Vertrauter von Präsidenten, von Adeligen. Er war verurteilter Sexualstraftäter. Und da ist noch der Vorwurf der Pädophilie. Um wirklich zu verstehen, wie all das hier zusammenhängt, muss man wohl ihr Buch lesen. Aber helfen Sie uns, versuchen Sie bitte, die Zusammenhänge herunterzubrechen. Verstehe ich das richtig: Will man den Epstein verstehen, ist ein Begriff zentral: „Kompromat“. In den Dimensionen der oberen 0,001 Prozent hatte er ein vergleichsweise bescheidenes Vermögen. Seine Macht gründete jedoch weniger auf Geld als vielmehr auf seinen Kontakten und den Informationen, die er gesammelt hatte. Tatsächlich war belastendes Material – Kompromat – der Schlüssel zu Epsteins Machtstellung. Seine Villen waren mit Kameras ausgestattet, die die intimen und oft illegalen Handlungen seiner Gäste dokumentierten. Diese Aufnahmen dienten als „Versicherung“ und ermöglichten es ihm, selbst hochrangige Persönlichkeiten zu kontrollieren. Diese Methode, die seit Jahrzehnten von Geheimdiensten angewandt wird, perfektionierte Epstein zu einem System. Aber dieses System ist gefährlich. Womöglich wurde es Epstein zum Verhängnis: Als es durch zahlreiche Klagen zu bröckeln begann, fühlten sich zu viele mächtige Personen und Institutionen bedroht. Was rund um den Fall Epstein bekannt wurde, ist aber vom Prinzip her alles andere als „neu“. Im Grunde genommen geht es um ein sehr altes Vorgehen. Stichworte: „Sexspionage“ und „Honigfalle“. Ja, das sind bewährte Methoden. Gleich im ersten Kapitel gebe ich drei Beispiele: Mata Hari, Tänzerin und Spionin im Ersten Weltkrieg, nutzte Verführung, um Geheimnisse zu sammeln. J. Edgar Hoover, FBI-Direktor, kontrollierte durch Überwachung und Erpressung. Eli Cohen, israelischer Spion, infiltrierte die syrische Regierung und lieferte entscheidende Informationen. Das vielleicht stärkste Argument dafür, dass Epstein im Auftrag von Geheimdiensten arbeitete, ist der Fall von Alexander Acosta, dem ehemaligen US-Bundesstaatsanwalt. Was war da? Acosta handelte 2008 einen Deal aus, der Epstein trotz schwerwiegender Vorwürfe ein äußerst mildes Strafmaß einbrachte und seine Netzwerke weitgehend unangetastet ließ. Später, 2017, wurde Acosta von US-Präsident Donald Trump zum Arbeitsminister ernannt. Während des Übergangsprozesses wurde er vom Trump-Übergangsteam auf den Epstein-Fall angesprochen. Acosta rechtfertigte den Deal mit der Aussage, dass ihm gesagt worden sei, Epstein „gehört dem Geheimdienst” und er solle „die Finger davon lassen”, weil das „über deiner Gehaltsklasse” sei. Wie denken Sie über das Ableben Epsteins? War es Selbstmord? Was spricht für, was gegen Selbstmord? Der angebliche Selbstmord Epsteins ist höchst fragwürdig. Im Kapitel „Tödliches Geheimnis“ liste ich die wichtigsten Ungereimtheiten auf, die der damalige US-Generalstaatsanwalt William Barr, der die Vorgänge im New Yorker Hochsicherheitstrakt untersuchte, als „das Ergebnis eines perfekten Sturms von Fehlern“ bezeichnete. Dazu gehören der Ausfall der Überwachungskameras, eingeschlafene Wachleute, gefälschte Kontrollberichte, die Verlegung seines Zellmitbewohners, schwerwiegende Verletzungen, die auf Strangulation hindeuten, unzureichende Notfallreaktionen und zahlreiche weitere Unstimmigkeiten. Besonders die Untersuchungsergebnisse des unabhängigen Pathologen Michael Baden, der auf jahrzehntelange Erfahrung bei Obduktionen zurückblickt, überzeugen mich davon, die offizielle Todesursache massiv zu anzuzweifeln. Wie gesagt, in Ihrem Buch fokussieren Sie auf Epstein, aber auch den größeren Rahmen. Gibt es die Strukturen, in die der Fall Epstein eingebettet ist, auch in anderen Ländern? Immer mal wieder lüftet sich der Vorhang, Missbrauchsskandale und Ungeheuerliches kommen ans Licht. Stichworte: Saville, Dutroux, Casa Pia, für Deutschland sei an den Film „Jagdgesellschaft“ erinnert, aber auch wieder in den USA der „Franklin Cover-Up“: Haben Sie diese Fälle auch auf dem Schirm? Ja, solche Strukturen sind global und durchziehen verschiedene Branchen. Derzeit beschäftige ich mich intensiver mit dem Fall P. Diddy, dem milliardenschweren Rapper und Label-Chef, der sich wie ein Epstein der Musikbranche darstellt. Titelbild: Copyright Lawrey/shutterstock.com Lesetipp: Tahir Chaudhry: Wem diente Jeffrey Epstein? Vorwort von Florian Homm, Fifty-Fifty, Frankfurt am Main 2024, Softcover, 300 Seiten, ISBN 978-3946778394, 25 Euro.…
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1 Deutsche Kriegstauglichkeit – Eine Betrachtung aus sicherheitspolitischer und verfassungsrechtlicher Perspektive 22:54
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22:54Die Überschrift mag irritierend wirken, da sie auf den ersten Blick eine Frage eröffnet, deren Antwort für manche eine Selbstverständlichkeit darstellt: Natürlich müsse eine Armee kriegsfähig oder -tüchtig sein, sonst erfülle sie ihren Auftrag nicht, das Land zu verteidigen. Andere, darunter ich, stören sich an der Wortwahl und den daraus resultierenden möglichen Folgen – spiegelt sie doch eine Denkweise wider, die ich als hochgefährlich betrachte. Denn klar ist auch: Nicht nur die Realität prägt Denken und Sprache, auch umgekehrt prägt die Sprache das Denken, prägt die politische und soziale Realität. Und welche Realität soll geschaffen werden, wenn solche Begriffe in den Kommunikationsraum geworfen werden? Soll eine erhöhte gesellschaftliche Akzeptanz von Militär, Militärausgaben und Krieg geschaffen werden? Soll die pazifistische Kultur der deutschen Gesellschaft rückabgewickelt werden? Von Alexander Neu . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Der noch deutsche Verteidigungsminister, ein Sozialdemokrat wohlgemerkt, hat nicht nur den Begriff, die Aussage, Deutschland müsse kriegstüchtig werden, in den Kommunikationsraum geworfen, sondern er hat damit auch deutlich gemacht, dass er gewillt ist, eine Kriegstüchtigkeit herzustellen. Denn der logische Rückschluss seiner Aussage ist: Deutschland sei gegenwärtig eben nicht kriegstüchtig aufgestellt. Was aber nicht minder schwer wiegt, ist die weitgehend ausbleibende gesellschaftliche, politische und mediale Reaktion auf eine derartige Aussage. Wie kann es sein, dass so eine Formulierung überhaupt aus dem Munde eines deutschen Regierungspolitikers, genauer gesagt der politischen Führung des BMVg, unwidersprochen bleibt – und dies angesichts der deutschen Geschichte? Wo blieb und bleibt der Sturm der Entrüstung der öffentlichen und veröffentlichten Meinung? Noch zu meiner Zeit als Student der Politischen Wissenschaften in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre hätte eine solche Formulierung einen ministeriellen Rücktritt zur Folge gehabt – und zwar nicht nur angesichts der deutschen Geschichte, sondern auch angesichts der damals wie heute richtigen Erkenntnis: Der Krieg als Fortsetzung der Politik hat im Nuklearwaffenzeitalter ausgedient – zumindest zwischen Atommächten respektive Militärbündnissen mit nuklearen Fähigkeiten. Nun aber fabuliert ein fachfremder Verteidigungsminister über Kriegstüchtigkeit und, dass die Russen Ende des Jahrzehnts in der Lage seien, die NATO anzugreifen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr C. Breuer sekundierte in der Sendung „Maischberger“ mit folgender Formulierung: „Dann zeigt mir das, dass wir gewappnet sein müssen in fünf bis acht Jahren. Weil dann ein Angriff wieder möglich sein könnte. Ich sag es bewusst in Möglichkeitsform.“ ( hier ab Minute 14:22 ) Womit der ranghöchste Soldat der Bundeswehr seine Bewertung selbst in Frage stellt, denn mehr Konjunktiv und Potentialis geht nicht. Der Minister sowie sein Generalinspekteur bewegen sich faktisch auf dem Feld wilder Spekulationen. Und wo bleibt der sonst so gern betriebene mediale Faktencheck? Beispielsweise hätte Maischberger die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Greenpeace-Studie mit dem Titel „Wann ist genug? Vergleich der Kräfte von NATO und Russland“ oder die Daten bei Statista abrufen und erwähnen können – journalistische Schlamperei oder doch Absicht? Auf jeden Fall journalistischer Totalausfall. Noch zu Zeiten der sehr präferierten Beschäftigungstherapie der „Out-of-area-Einsätze“ (Auslandseinsätze und militärische Maßnahmen jenseits des Bündnisgebietes) der NATO – inklusive der Bundeswehr – in den 1990er- und 2000er-Jahren wurde zum Zwecke der fortgesetzten Daseinsberechtigung der NATO bisweilen allen Ernstes mit so bizarren und skurrilen Argumenten wie den „abstrakten Gefahren“ für Deutschland und seine Verbündeten begründet, warum die NATO und damit auch die Bundeswehr weltweit operieren müsse. Die Hilflosigkeit, ja geradezu die Verzweiflung, Gefahren identifizieren zu müssen – und seien sie noch so skurril –, die angeblich eine starke und global agierende NATO erforderlich machen, sollte einem nachdenkenden Menschen sofort in das Gesicht springen. Zugleich, und das muss ich einräumen, scheint so ein Blödsinn tatsächlich unwidersprochen von der Gesellschaft hingenommen zu werden. Faktisch mangelt es solchen Begründungen aber erheblich an Substanz. Denn „abstrakte Gefahren“ für Leib und Leben erfährt jeder Mensch weltweit täglich – auf dem Weg zur Arbeit, im Job, in der Familie etc. Und von ähnlich substanzloser Qualität sind die Aussagen Pistorius‘ und Breuers, Russland könnte die NATO angreifen. Auch die USA verfügen über die militärischen Fähigkeiten, praktisch jedes Land anzugreifen. Ob sie es tun oder aber nicht, hängt von ganz anderen Faktoren, nämlich politischen Erwägungen und Interessen ab – also politischen Absichten. Militärische Fähigkeiten und politische Absichten Natürlich könnte Russland sich Fähigkeiten aneignen, die rein spekulativ einen Angriff auf die NATO ermöglichten. Und natürlich kann man die militärischen Fähigkeiten eines Staates messen – Militärausgaben, Quantität an Militärpersonal und Waffensystemen, Art der Waffensysteme, Anzahl und Standorte von Militärbasen, Militärdoktrinen etc. Aber bei all den soeben erwähnten quantitativen Elementen liegt in der Summe die NATO weit vor der Russischen Föderation (siehe die o.g. Quellen: Greenpeace-Studie und Statista). Es ist richtig, die russische Wirtschaft wurde auf Kriegswirtschaft umgestellt. Es ist auch zutreffend, dass die russischen Waffenschmieden derzeit aufgrund der Umrüstung der Wirtschaft eine größere Produktionsmenge an Waffensystemen erreichen. Richtig ist aber auch, dass sich das Russland dauerhaft gar nicht wird leisten können. Moskau wurde in den 1980er-Jahren schon mal totgerüstet von der NATO. Diese Lehre dürfte in Moskau angekommen sein. Wichtiger zur Entkräftung aber ist, dass eben nicht nur die Quantität und Qualität der konventionellen Waffensysteme und die Personalgröße zählen, mithin die sogenannten militärischen Fähigkeiten. Zur Evaluation eines Bedrohungsszenarios oder eines Bedrohungsumfeldes zählen eben auch die politischen Absichten einer Regierung. Und diese politischen Absichten sind ebenfalls einschätzbar. Sie können sich rasch ändern, jedoch lassen sich in den Erklärungen der politischen Entscheider und den öffentlich zugänglichen Doktrinen durchaus Absichten in die eine oder andere Richtung erkennen. Mir sind, und ich bin da durchaus offen für Korrekturen, keine Erklärungen politischer Entscheider in Russland bekannt, die einen Angriff auf das NATO-Gebiet beinhaltet hätten – mit Ausnahme von möglichen militärischen Schlägen gegen jene Staaten, die der ukrainischen Seite Langstreckenraketen liefern und diese auch zur Anwendung auf russisches Staatsgebiet autorisieren – wie es gegenwärtig geschieht. Das einzig Wahrnehmbare sind Behauptungen westlicher Akteure – aus Politik, Wissenschaft und Militär –, ohne dass Beweise vorgelegt werden. Das heißt nicht, dass Russland nicht diese Absichten haben könnte – wer kann schon in den Kopf Dritter schauen. Aber mit Blick auf die bislang bekannte Faktenlage handelt es sich nur um faktenfreie Behauptungen, deren Überzeugungsqualität so skurril sind wie die fragwürdigen „abstrakten Bedrohungen“. Politische Absichten und Nuklearwaffen Der mögliche Einwand, wonach politische Absichten rascher veränderbar als militärische Fähigkeiten seien, ist richtig. Aber eine Staatsführung, die ungeachtet der Qualität und Quantität der eigenen militärischen Fähigkeiten ihre politischen Absichten auf Angriff gegen einen anderen Atomwaffenstaat oder dessen unter dem Nuklearschutzschild befindliche Verbündete wendet, begeht faktisch Selbstmord. Und damit sind wir beim Kern der Gegenargumentation für eine massive Aufrüstung, eine erforderliche Kriegstüchtigkeit: Auch heute, 35 Jahre nach dem Kalten Krieg, gilt die Philosophie der MAD – mutual assured destruction –, also der gesicherten gegenseitigen Vernichtung, garantiert durch die nuklearen Zweitschlagsfähigkeiten, die wiederum durch die nukleare Triade abgesichert ist. Die nukleare Triade bedeutet, dass die Nuklearsprengköpfe auf diversen Trägersystemen in der Luft (Boden-Luftsysteme), auf See (seegestützte Systeme) und zu Land (mobile und stationäre Trägersysteme) montiert sind, sodass bei einem anvisierten enthauptenden Erstschlag hinreichend Reaktionskapazitäten für den vernichtenden nuklearen Gegenschlag (Zweitschlag) nahezu gesichert sind. Sowohl Washington als auch Moskau verfügen über diese Triade. Und diese Tatsache macht einen Krieg zwischen zwei Atommächten unter der Prämisse, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sinnlos, da es mit der gesicherten gegenseitigen Vernichtung logischerweise keinen politischen Gewinner geben kann. Der Ausgangspunkt: Das politische Ziel kann nicht erreicht werden. Vielmehr wird Politik buchstäblich pulverisiert. Angesichts dessen gilt es, zwei große Fragezeichen zu beantworten: Macht es Sinn, dass ein Staat das Territorium eines (anderen) Atomwaffenstaates oder seiner unter dem nuklearen Schirm geschützten Verbündeten angreift? NEIN! Denn auch ein mit konventionellen Waffen begonnener Krieg zwischen Atommächten droht, sofern es nicht nur ein paar grenznahe Scharmützel sind, ganz leicht in einen nuklearen abzurutschen. Und der Auslöser des Abrutschens in einen Nuklearkrieg ist besonders dann virulent, wenn eine Konfliktseite Gefahr läuft, auf dem eigenen Territorium in die Defensive gedrängt zu werden. Denn genau dafür existieren Atomwaffen, um in letzter Instanz, also als Ultima-ratio-Handlung, diese einzusetzen, wenn der Abschreckungseffekt ausbleiben sollte. Sodann wird aus einer politischen Atombombe (nukleare Abschreckung) eine militärische Atombombe (Nuklearwaffeneinsatz). Und exakt das beschreiben die Nukleardoktrinen der USA und Russlands. Um das konkret an dem Ukraine-Krieg festzumachen: So lange westliche Waffenlieferungen nur auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz – wohl mit Ausnahme der Krim – stattfinden, ist die Gefahr einer nuklearen Eskalation gering. Wird jedoch, wie es gerade stattfindet, russisches Staatsgebiet mit Hightech-Waffen getroffen, deren Informations- und Steuerungsmanagement von westlichen Experten vorgenommen werden muss, steigt die Gefahr der nuklearen Reaktion exponentiell an. Das politische Ziel der Kontrolle, der Okkupation oder der Annexion fremden Staatsgebietes oder auch umstrittener Territorien, dessen Staat über Atomwaffen verfügt, ist nicht erreichbar, sondern nur die eigene nukleare Zerstörung. Aus diesem Grund haben die im Territorialkonflikt stehenden Nuklearwaffenstaaten Pakistan und Indien sowie China und Indien sehr bewusst ihre Konflikte nicht über ein paar Grenzscharmützel hinaus eskalieren lassen. Und diese Einsicht führt zur Politik, Atomwaffen in erster Linie als Abschreckungswaffen (politische Waffen) zu betrachten und nur bei Versagen der Abschreckung diese auch real einzusetzen. Die zweite Frage und auch die Antwort sind auf das Engste mit der ersten Frage und deren Antwort verbunden: Macht eine massive konventionelle Aufrüstung zwischen Nuklearmächten Sinn, wenn das eigentlich kriegsentscheidende Mittel im Zweifel die Atombombe ist? NEIN! Somit sind ambitionierte Aufrüstungsvorhaben zum Zwecke der Kriegstüchtigkeit absurd – nein, sogar eine falsche und fatale Verteilung wertvoller Steuergelder. Eine auf vorwiegend defensive Waffensysteme gestützte Rüstung kann in einem vernünftigen Umfang gemäß der objektiv einzuschätzenden Sicherheitslage hingegen Sinn machen. Quelle: Büro Sevim Dagdelen Kurzum: Das Ziel der Kriegstüchtigkeit Deutschlands ist sicherheits- und haushaltspolitisch völlig absurd und zeithistorisch absolut unmoralisch. Dies heißt nicht, dass es nicht eine Verteidigungsarmee geben sollte. Das wäre nicht minder absurd. Die Bundeswehr als rein territorial gebundene Verteidigungsarmee zum Schutze Deutschlands unterstütze ich uneingeschränkt. Denn auch konventionellen Fähigkeiten kommt ein Abschreckungsmoment zu. Ob es schlussendlich ausreicht, ist differenziert zu sehen. Die konventionellen Verteidigungsfähigkeiten des Irak oder der Bundesrepublik Jugoslawien reichten nicht für eine effektive Abschreckungskraft aus, um die völkerrechtswidrigen Angriffe auf ihre Staatsgebiete abzuschrecken. Hätten diese Staaten Nuklearwaffen besessen, wären sie nicht unter US-geführten Koalitionen bzw. der NATO angegriffen worden. Für mich ist der Auftrag einer Armee – hier der Bundeswehr – entscheidend: B. Pistorius hat nicht die Adjektive „verteidigungsfähig“ oder „verteidigungstüchtig“ verwendet, sondern ganz bewusst das Adjektiv „kriegstüchtig“. Und auch als fachfremder Minister sollte er den Unterschied kennen bzw. werden ihm das seine Berater sicherlich expliziert haben: Während der Begriff der „Verteidigung“ eine Abwehr gegen etwas, hier eine Abwehr gegen einen Angriff von außen, definiert, ist der Begriff „Krieg“ offener und kann mithin alle Varianten umfassen, auch den – als Präventivkrieg verkappten – Angriffskrieg. Öffnet der Verteidigungsminister mit seiner Wortwahl, seiner Formulierung das Tor auch zur Debatte für offensive Fähigkeiten? Öffnet er auch das Tor zur Frage, ob nicht auch offensive Absichten im Raum stehen könnten? Diese Frage zumindest steht mit dem Wort „Kriegstüchtigkeit“ ganz ohne Nöte nun im Raume. Rechtliche Grundlagen zur Anwendung militärischer Maßnahmen Da die Debatte um Kriege und mögliche Einsatzszenarien auf Hochtouren läuft, möchte ich die verfassungsrechtlichen Spielräume für den Einsatz der Bundeswehr nochmals in Erinnerung rufen. Denn diese scheinen in der Debatte nahezu keine Rolle mehr zu spielen – sind aber eben die Grundlage allen politischen Handelns in einem Rechtsstaat. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schafft und präzisiert den Rahmen für einen möglichen bewaffneten Einsatz der Streitkräfte. X a. Verteidigungsfall – Art. 115a (Territorialbezug) (1) Die Feststellung, dass das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall), trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates… (4) Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen… (5) Ist die Feststellung des Verteidigungsfalles verkündet und wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen, Artikel 115a GG stellt einen unmissverständlichen Territorialbezug her. Das heißt, nicht Interessen oder Werte, nicht einmal feministische Werte, definieren den Verteidigungsbegriff, sondern – ganz im Sinne der UNO-Charta – der vorausgegangene oder gegenwärtige Angriff auf das Staatsgebiet Deutschlands. Mit der Formulierung „ein solcher Angriff unmittelbar droht“ wird der Präemptivschlag als zeitlich vorgezogene Reaktion betrachtet. Die zeitliche Dimension ist jedoch auf den Faktor der Unmittelbarkeit, des Jetzt, begrenzt. Damit unterscheidet sich der Präemptivschlag vom Präventivschlag, der zeitlich durchaus weiter in der Zukunft liegen kann. Beispielsweise würde ein Militärschlag gegen iranische Atomanlagen einen Präventivschlag darstellen, der völkerrechtlich nicht gedeckt wäre, sondern ganz klar als rechtswidrige Angriffshandlung bewertet werden müsste. Wenn hingegen ein Drittstaat bereits seine militärischen Maßnahmen auf einen konkreten Angriff hin ausgerichtet hat, bereits schon in Feuerstellung gegangen ist, darf der an der Schnittstelle von zukünftigem und gegenwärtigem Angriff befindliche Staat bereits völkerrechtskonform militärisch reagieren. Wichtig zu wissen ist, dass im Englischen die Begriffe präventive und präemptive exakt umgekehrt definiert sind. Das sorgt gelegentlich in den Debatten für Verwirrung. Art. 87a – Streitkräfte (1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben. (3) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt. Dieser Artikel verpflichtet die Bundeswehr zu einer Verteidigungsarmee, in Verbindung mit Art. 115a sogar primär zu einer territorialgebundenen Verteidigungsarmee. Erst unter Art. 87a, Absatz 3 werden Ausnahmemöglichkeiten zur deutschen Territorialverteidigung angedeutet. Gemeint sind hier Art. 24 (System gegenseitiger kollektiver Sicherheit, wie der UNO). und Art. 80 a, Abs. 3 (Bündnisvertrag, wie der NATO): Art. 24 – Übertragung von Hoheitsrechten – Kollektives Sicherheitssystem (2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern. Es handelt sich hierbei nicht um ein Verteidigungsbündnis, sondern um eine intergouvernementale Organisation wie die UNO, der ein anderes, ein progressives Sicherheitskonzept zugrunde liegt, jedoch bislang tatsächlich nicht effektiv umgesetzt wurde. Die Bundesrepublik darf gemäß dem Artikel 24 Abs. 2 tatsächlich auch die Bundeswehr jenseits des territorial gebundenen Verteidigungsauftrages in den Dienst eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit stellen. Es kann sich hierbei um UN-geführte Blauhelmeinsätze sowie um UN-mandatierte-Einsätze wie in der serbischen Provinz Kosovo (UN-Sicherheitsratsresolution 1244) handeln. Die NATO und die EU sind explizit keine Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit ungeachtet dessen, dass das Bundesverfassungsgericht 1994 die NATO faktenwidrig zu einem solchen System im Sinne von Artikel 24, Absatz 2 erklärte. Die NATO verfügt nicht einmal über ein konstitutives Element eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, nämlich einen internen Konfliktregulierungsmechanismus, der im Falle des Konfliktes zweier NATO-Mitgliedsstaaten die Lösungsschritte dieses internen Konflikts beschreiben würde. Ein Sicherheitskollektiv wirkt – und das ist sein konstitutives Merkmal – indes nicht nach außen, sondern nach innen. Die NATO wirkt unter anderem nach außen, womit sie vieles sein mag, jedoch kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Art. 80a (Spannungsfall) Bündnisverteidigung – (NATO & EU) (3) Abweichend von Absatz 1 ist die Anwendung solcher Rechtsvorschriften auch auf der Grundlage und nach Maßgabe eines Beschlusses zulässig, der von einem internationalen Organ im Rahmen eines Bündnisvertrages mit Zustimmung der Bundesregierung gefasst wird. Artikel 80a des Grundgesetzes formuliert die Möglichkeit, einem Verteidigungsbündnis beizutreten, dessen Rechte und Pflichten zu tragen, wozu auch die Verteidigung von Staatsterritorien verbündeter Staaten als Auftrag gehören kann – mithin die Bündnisverteidigung. Zwei-plus-Vier-Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland – Art. 2 Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bekräftigen ihre Erklärungen, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der Verfassung des vereinten Deutschlands sind Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar. Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen. Fazit Der Zwei-plus-Vier-Vertrag fügt sich in die Friedensverpflichtung des Grundgesetzes nahtlos ein. Die Formulierung, „dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird“, kontrastiert absolut und unmissverständlich mit der geforderten Kriegstüchtigkeit B. Pistorius‘. Angesichts der fehlenden diplomatischen Initiativen Deutschlands zur Einhegung des Krieges in und um die Ukraine in Kombination mit Waffenlieferungen an die Ukraine und der geforderten Kriegstüchtigkeiten wäre der aktuelle Versuch, eine Zwei-plus-Vier-Vertrags- und verfassungskonforme Außen- und Sicherheitspolitik herbeizubegründen, eine interessante Herausforderung. Titelbild: Shutterstock / e-crow…
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1 Merkels Buch: Kein Grund zum Lesen, jedoch Anlass zur Kritik an einer kühlen, einst mächtigen Kanzlerin 25:05
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25:05Bedeutende Menschen schreiben gern Bücher, die sie für wichtig halten. Jetzt tat das auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, die über eine sehr lange Zeit, von 2005 bis 2021, die Macht innehatte und nun meinte, ihre geneigte Leserschaft endlich umfassend zu informieren, was sie alles geleistet hat und warum das damals alles so war, wie es war. So weit, so gut. Ihr Buch „Freiheit“ zu lesen, kommt mir trotzdem nicht in den Sinn. Ein Zwischenruf von Frank Blenz . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Angela Merkel steht für mich bis heute für eine heuchlerische wie raffinierte Machtpolitik, die sich in Wahrheit von vielen Menschen abwendet und dabei aber so tut, als würde sie genau das Gegenteil und nur das Wohl des Volkes im Sinn haben. Derartiges wie das Merkel-Buch zu lesen, habe ich keinen Bedarf. Wichtig ist mir aber, darauf hinzuweisen, wessen Klasse sie angehört und dass ihre Leistungen kritikwürdig sind. Zunächst: Deutschland erscheint wie ein reiches Land mit vielen Menschen, die immer noch sagen, es gehe ihnen gut, sie seien froh und frei. Der Preis für deren Reichtum, welcher nicht fair verteilt ist, ist sehr hoch. Deutschland ist ein Land der Sieger und Verlierer. Verlierer gibt es zu viele – das Verlieren wird von der politischen Klasse, den Etablierten, denen, die es geschafft haben, von den in Komfortzonen eingerichteten Nichtbetroffenen achselzuckend als „Schicksal“ der anderen hingenommen. Das ist Freiheit. Nun so ein Buch: Merkels Wälzer heißt auch „Freiheit“, er ist ein Buch mit über 700 Seiten. Für mich ist das Werk kein Grund zum Lesen, dafür ein Ärgernis. Denn das Werk zieht bei mir aus den Sphären des Vergessens Erinnerungen aus der Zeit der Regentschaft Merkels wieder hoch. Allein ihr Wiederauftauchen dank des Sachbuchs und eines großen, aufdringlichen Medienauflaufs ist keine Sternstunde. Von wegen bescheiden und dankbar und demütig – ihr sei entgegnet: Frau Merkel kann schreiben, was sie will, die Geschichte, die sie „mitgestaltet hat“, wird davon nicht besser. Soll sie ihren Ruhestand genießen und gut. Die deutsche Geschichte von 2005 bis 2021: Die Liste ihres Schaffens und der Folgen der „Merkel-Macht-Jahre“ ist lang. Die Politik der CDU-Politikerin und ihrer Gefolgschaft erlebte ich als keine gute, die heute nicht besser wird, wenn Merkel versöhnlich resümieren will. Ihre Hinterlassenschaften beeinflussen den Alltag vieler Menschen (trotz der zahlreichen Wohlhabenden) negativ und darüber hinaus bis heute dramatisch. Tragisch wie normal für die Qualität der gegenwärtigen politischen Klasse ist, dass die nachfolgenden, jetzt Macht habenden Politikerkollegen Angela Merkels deren Hinterlassenschaften nicht korrigieren. Es ist zum Heulen. Am Tisch mit der Merkelbuchpyramide mitten im Advent „Die müssen doch verrückt sein, 42 Euro für so ein Buch“, beschwert sich ein älterer Mann gegenüber seiner Frau. Beide Rentner stehen kopfschüttelnd am Warentisch einer Buchhandlung in meiner Heimatstadt, auf dem eine Art Pyramide aufgebaut ist. Das Paar schimpft über Merkel und hat Worte parat, die in dem dicken Buch vor ihnen sicher nicht vorkommen. Die Bausteine der aufdringlichen Werbeaktion sind Exemplare des Buches „Freiheit“ der Altkanzlerin. Warum wird eigentlich für andere, schönere Bücher nicht so ein Aufwand betrieben? Stimmt, alle sollen sehen, das Buch hat doch was: Der Umschlag schimmert in Blau, der Blazer Merkels ist blau, der Schriftzug „Freiheit“ schimmert in einem sehr sehr hellen Blau. Merkel lächelt auf dem Titelbild, wirkt aufgeräumt, blickt optimistisch, mit sich im Reinen, nach vorn. Das Signal an die Leser soll sicher sein: Sie war und ist vertrauenerweckend. Und das in der Adventzeit. Clever. Die PR-Maschinerie wirkt. Das Buch, über 400.000-mal gedruckt, ist laut Hitliste ein richtiger Renner: Platz 1. Wer kauft nur das Buch? Im Laden bei mir um die Ecke steht die Pyramide der vielen Freiheitsbücher wie eine feste Mauer gleich am Eingang. Ich frage mich: In unseren Wendezeiten, im selbstzerstörerischen Taumel Richtung wehrhafter Einsatzbereitschaft – was braucht es das rückblickende, wohlwollende Fazit über eine doch im Großen und Ganzen gute Zeit, gemacht von einer im Großen und Ganzen lieben Frau? Es braucht es nicht. Und damit nicht genug: Wer nicht selbst lesen mag, kann dem Hörbuch lauschen, keine geringere Künstlerin als die berühmte Corinna Harfouch spricht Satz für Satz. Wem es gefällt, ja. Ansonsten? Danke, nein. Ein Land, in dem wir gut und gerne leben Mit einem Mal – das kommt mir jedenfalls so vor – ist Angela Merkel also wieder da. Hätte Merkel kein Buch geschrieben, ich hätte nicht mehr an sie gedacht, jedenfalls nicht wie aktuell. Ohne eine Zeile gelesen zu haben – ich brauche die Art Anschubser der Altkanzlerin nicht –, fällt mir nach und nach als Bürger ein, was Merkel solo und mit ihrer und für ihre politische Klasse der Etablierten über eine lange, sehr lange, viel zu lange Zeit in unserem Land zustande und nicht zustande gebracht hat. In 16 Jahren Merkelismus und darüber hinaus. Ärgerliches. Jetzt kommt also eine Nachlese auf Merkeldeutsch? Die Ex-Kanzlerin brachte nicht zustande oder hatte gar nicht vor, was sie in Neujahrsansprachen gern versprach: dass wir in einem Land weilen, in dem wir (alle) gut und gerne leben. Und ja, doch, Merkelnutznießer gab und gibt es auch, wie ich schon erwähnte. Das müssen viele sein, die den schweren Band erwerben, siehe Verkaufszahlen von „Freiheit“. Dabei stört auch nicht, dass Bewertungen auf Internetportalen über „Freiheit“ dagegen schon mal sehr viel weniger lobend ausfallen. Die Kommentarspalte wird dann halt einfach geschlossen, was der Altkanzlerin im Basta-Stil bestimmt gefällt. Man muss sich das mal vor Augen halten: 16 Jahre Merkel. Vier Legislaturperioden. Ihr Abgang kam, endlich, so etwas wie ein Aufatmen seufzte durch das Land. Doch dann? Ihr Abschied hat von 2021 bis heute nicht wie erhofft zur Folge, dass sich die bleierne Zeit der Bundeskanzlerin hin zu einer besseren Phase ändert. Der ehemalige Partner der viel gelobten Großen Koalition übernahm in neuer Koalition, die von fantasiereichen Redakteuren (wie originell) wie ein Signal im Straßenverkehr bezeichnet wurde. Doch die Zeit wurde und wird heute schlimmer. Merkel bekommt all das sicher auch mit. Sie weiß, wie sehr sie involviert in das Spiel mit dem Feuer war und ist – einfach mal „Merkel und der Ukrainekonflikt“ im Internet nachschlagen. Die sogenannte Zeitenwende wurde nach Merkel auf die Tagesordnung gesetzt und in der Art verkauft, als würde solch eine Wende natürlicherweise über uns Menschen kommen. Das geschieht logischerweise – Ironie aus – ohne das Zutun der Macher, ohne Leute wie Merkel, die an den Hebeln sitzen und diese nur so umlegen, wenn es darum geht, den Gürtel enger zu schnallen und zu konstatieren, dass die fetten Jahre vorbei seien. Gab es etwa vorher fette Merkeljahre? Für ihresgleichen und für die, für die sie fette Beute generierte, sicher. Raffiniert hat die Altkanzlerin derlei Wende schon in ihrer Zeit ganz ohne großes Aufsehen, mit langem Atem, stoisch ruhig und unbeirrt gegen Widerstände der Zivilgesellschaft eingeleitet: mit ihrer Wir-schaffen-das-Schwindelei, mit ihrem kühlen Durchregieren, in ihrer gerissenen Machtbewusstheit, ihrem hinterlistigen „Dienen“ für eine Sache, die nicht die aller Bürger war und ist und bleibt. Genau das sieht die Gesellschaftskonstruktion Kapitalismus auch nicht vor, das weiß sie sicher. Also muss man drum herumreden, damit das Volk alle Kröten schluckt, patriotisch und treu stillhält und Mutti trotzdem gut findet. Sie ist ja auch sympathisch. Ich denke nur an ihren unverfälschten, herrlichen Jubel auf der Ehrentribüne im Maracana-Stadion zu Rio de Janeiro, als im Fußball-WM-Finale 2014 der Mario Götze grandios das 1:0 erzielte, auch, weil der Reporter rief: „Mach ihn! Mach ihn! Er macht ihn.“ Deutschland wurde Weltmeister. Ich sah bei Merkel zwei Personen: die, die sie sein müsste, und die, die sie wirklich trotz Jubel ist – die Frau, die als Machtmensch wieder zur harten Tagesordnung übergeht. Klar fällt es Merkel dank ihrer Kunst des Politikmachens nicht schwer, ein sehr großes Wort zu bemühen. Davor scheut sie sich bis heute nicht, auch wenn das Wort gar nicht zutrifft für viele, für unser Land, für unsere Möglichkeiten: „Freiheit“. Eine Aufzählung, die Merkel nicht ausmacht Eine Aufzählung, die Merkel nicht ausmacht: wirkliche, gelebte und gestaltete Einheit, ein Ostdeutschland, das sie, die Ostdeutsche, im Blick hat. Die Entscheidung, den Posten des Ostbeauftragten abzuschaffen und stattdessen wirklich einheitszugewandte Politik zu betreiben. Gleichberechtigung, Integration, ehrliche Migration, soziale Gerechtigkeit, friedliche Koexistenz. In Europa und weltweit ein guter Nachbar sein für unsere Nachbarn. All die genannten Stichworte, deren Existenz in unserem Leben, die sah und sehe ich bei Merkel, durch Merkel nicht oder allzu wenig. Als die Erde brannte – sie brennt immer noch – und Flüchtlinge sich auf den Weg machten: Was tat Merkel vorher und während dieser Zeit? Für Frieden sorgen? Die Bündnispartner zur Räson bringen? Sie sprach von Räson, als sie über Israel sprach. In ihrer Amtszeit tobte in Palästina der Krieg. Ihre Sturheit, die Arroganz der Macht, sie herrscht selbst nach ihrer Abdankung immer noch vor und ruft Schäden hervor, die nicht zu reparieren sind, viele Jahre nicht mehr. Vor unseren Augen verschwinden Menschen, ganze Völker, und wir blicken zurück auf die Wir-schaffen-das-Jahre. Dass die Kanzlerin Angela Merkel 16 Jahre in solch einer Weise wirken konnte, dass die Widerstände dagegen stets abgeschmettert werden konnten, zeigt die Machtfülle, die sie innehatte und/oder die ihr zugestanden wurde. Denn Alleingängerin war und ist sie nicht – sie ist Elite. Wie war das damals 2011 und folgend – Syrien? Ich las gerade einen Aufsatz der sehr geschätzten Korrespondentin Karin Leukefeld, die zu den schlimmen Ereignissen in und um Syrien schreibt. Allein die Jahreszahl 2011 und die folgenden Jahre liegen im Zeitraum der Machtausübung Merkels. Sie sah zu, sie schaute weg, sie machte beim schäbigen Spiel, politische Interessen durchzusetzen, mit. Und nein, die folgenden Zeilen sind keine aus Merkels Buch: Seit dem Frühsommer 2011 hatten die Bundesregierung und die Europäische Union mit einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Syrien zum wirtschaftlichen Mangel des Landes beigetragen und einen Wiederaufbau verhindert. Die USA setzten mit dem „Caesar-Gesetz“ noch eins drauf und drohten Einzelpersonen, Unternehmen und Staaten mit Sanktionen, sollten sie mit Syrien Handel treiben oder dort Investitionen tätigen. Seit fast 10 Jahren halten US-Truppen die syrischen Ölquellen im Nordosten des Landes besetzt und kontrollieren – in Koordination mit den Truppen der Verbündeten Türkei, Jordanien und Israel – nahezu alle Grenzen des Landes. Bashar al Assad, der seinem Vater Hafez nach dessen Tod im Jahr 2000 im Präsidentenamt folgte, stand spätestens seit dem völkerrechtswidrigen Irak-Krieg 2003 unter offenem Druck der USA: Der damalige US-Außenminister Colin Powell forderte vom syrischen Präsidenten 2002, wie Jordanien Land und Grenzen für den Vormarsch der US-Truppen in den Irak zu öffnen. Vergeblich, Syrien stellte sich an die Seite des bedrängten Irak, der von den USA schließlich – unter dem Vorwand, Massenvernichtungswaffen zu besitzen – überfallen und besetzt wurde. Die Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden, weil es sie nicht gab. Der Irak wurde zerstört, Millionen flohen, Tausende wurden in einem angefachten interreligiösen Krieg getötet. Der Druck auf Damaskus hielt an. Syrien solle das Bündnis mit dem Iran kappen, so die Forderung aus Washington. Die Golanhöhen solle Damaskus Israel überlassen und es müsse die Unterstützung für die Palästinenser stoppen. Im Gegenzug wurden Syrien blühende Landschaften versprochen, die Bevölkerung solle im Frieden des US-amerikanischen Hegemons [sic] – und seines regionalen Wächters Israel – zufrieden und glücklich sein. Syrien beharrte auf seiner souveränen Politik, öffnete sich nach innen und außen und prosperierte. Die Syrer unterstützten den jungen Präsidenten, der ihr Leben um vieles erleichtert hatte. Genau in dieser Zeit begann der Krieg 2011. Aus mehr als 150 Staaten zogen Dschihadisten nach Syrien, um den „Heiligen Krieg gegen das Assad-Regime“ zu führen. Die Türkei und Jordanien ermöglichten deren Passage, USA und arabische Golfstaaten lieferten die Waffen. Syrien wurde verwüstet und gespalten. Die ressourcenreichen Gebiete – Baumwolle, Wasser, Oliven und Ölquellen – wurden besetzt und dem Land entzogen. Syrien wurde absichtlich zerstört. Weil es sich weigerte, sich den geopolitischen Interessen der USA zu unterwerfen. (Quelle: Globalbridge ) Freiheit. Geld. Wenn ich in meiner Heimatstadt eine kleine Gasse in der Altstadt entlanglaufe, lese ich im Vorübergehen an einer bestimmten Stelle immer einen aufgesprayten Spruch: Geld ist ein Synonym für Freiheit. In der Tat bewirkt die Menge an finanziellen Mitteln Möglichkeiten, die den, der (viel) Geld hat, frei(er) macht. Der Freiheitssäuselei der Altkanzlerin fehlt genau das: auf Geld und Freiheit als Einheit hinzuweisen, ebenso Worte wie Reichensteuer, echte Mietpreisbremse, faire Löhne. Freiheit hat weitere Facetten. Als Frau hat sie geschafft, dass für die Gleichberechtigung kein großer Wurf gelang. Sie hat Kanzler Schröders Hartz-Wahnsinn nicht zurückgenommen. Der Sozi agierte asozial, die Christin folgte. Ihrem jetzigen Nachfolger Scholz ist zunächst zugutezuhalten, dass er Hartz für eine Weile pausieren ließ und auf zivilere Weise Bürgergeld auszahlte. Damit ist jetzt aber bald Schluss, jubeln die Reaktionäre, auf dass das „Bürgergeld“ seinen Namen nicht mehr verdient – weil Geld oder die Verweigerung dessen ein sehr probates Sanktionsmittel gegen all die Menschen ist, die in der Freiheit-Geld-Welt keinen würdigen Platz haben, haben sollen. Verachtung aber schon. Unter Freunden geht das gar nicht – doch, Frau Merkel Ich hörte, Merkel soll sich in ihrem Wälzer über Obama äußern, über Putin. Ersterer soll gut wegkommen, der Mann, der sogar den Friedensnobelpreis bekommen hat, obwohl er als First Man of the USA die meisten Waffengänge seines Landes weltweit nach dem Zweiten Weltkrieg befehligte. Bei „Obama trifft Merkel“ fällt mir noch ein, dass sie ein Mal aufmuckt, aber so richtig, als sie staunend davon erfährt, dass ihr Smartphone von den Freunden hinterm großen Teich abgehört, die Inhalte mitgeschnitten, analysiert werden und so weiter. Unter Freunden ginge das gar nicht, beschwert sie sich. Danach tritt Stille ein, Schwamm drüber. Der zweite Politiker, Putin, aus dem größten Land der Erde, darf hingegen, ganz deutsch und traditionell und eingebläut, nicht gut wegkommen. Merkel hat in Moskau studiert. Merkel weiß, wie Menschen der Sowjetunion denken, Menschen in Russland. Sie schafft es in 16 Jahren nicht, Brücken zu bauen, die vorhandenen nachhaltig abzureißen jedoch schon. Gute Nachbarn unter Nachbarn? Zwei Jahre – bewusst erzeugter Super-GAU Die abschließenden zwei Jahre Merkel-Regierung, in der ohnehin schon vorher viele Daten in Richtung „Unten“ neigen (Armut, Bildung, Infrastruktur, Kultur, Verkehr, Wohnen, Forschung, Mittelstand, Auseinanderdriften der „gut und gerne leben wir hier“-Gesellschaft, Migration, Bürokratie): Die Jahre 2020 und 2021 werden final und bewusst zum Super-GAU weitergeführt. Corona, Corona-Maßnahmen, die harte Hand, wieder dieses „Wir schaffen das“. Beifallklatschen von Balkonen, machtloser Künstler-Protest „Ohne uns wird es still“, Eskalation von oben, vor allem Pflichten, Bußgeldkataloge. Den widersprechenden Menschen wird Verschwörungsschwurbelei vorgehalten, Dummheit vorgeworfen, was wissen die schon. Der mächtige, konsequente, eitle Angriff auf viele Rechte der Bürger, auf die zivilisatorische Ordnung insgesamt – ein stoisches Werk Merkels und derer, die im ganzen Land mit von dieser Partie waren. Wir sind kein Land, in dem wir gut und gerne leben wollen würden. Nirgends sehe ich rückblickend einen Ansatz, bei dem Frau Merkel die Hand reicht, wo sie handelt wie ein einfacher Mensch, der empathisch ist, den kein profitabler Hintergrund motiviert, der nach Möglichkeiten sucht und sie auch findet, wie ein Land Entspannung findet, Ausgleich, Verbindlichkeit, Solidarität, Miteinander, Verständnis. Wo hat Merkel einen Satz losgelassen wie „Wir lassen das jetzt mal mit den Daumenschrauben, wir stellen die Maßnahmen in Frage, wir gehen in uns und stellen uns unseren Irrtümern, unserer Selbstgefälligkeit.“? Wo ist zu lesen, dass Merkel sagt: „Die mächtigen Interessen der Privatindustrie – hier die Pharmakonzerne – hatten die Oberhand. Ich sage als Kanzlerin jetzt: hatten.“? Einmal Kanzler, Kaiser oder König Was will ich damit erzählen? Beim Lesen meiner eigenen Zeilen hier stoße ich auf die Metapher der Macht, die in Wahrheit nur einen Wunsch vieler Menschen zum Ausdruck bringt: einmal Chef von Deutschland sein, Kanzler, Kaiser oder König (m/w/d). Was würde man machen, wäre man Kanzler oder König? Gute Chefs schmeißen zumindest im Märchen ihren Laden recht gut. Im wahren Leben aber? Wie hätte ich mich gefreut, wenn Angela Merkel unser Land kraftvoll wie behutsam geführt hätte, vielleicht so im teils progressiven Geiste der Gründerväter, im Geist der sozialen Marktwirtschaft, nach den Texten des Grundgesetzes. Was wäre das gewesen, wenn sie, die Ostdeutsche, darauf gepocht hätte: „Wir machen das jetzt mal klar, ja, mit der gemeinsamen, neuen Verfassung“? Was wäre das gewesen, wenn Merkel die vielen eingebrachten Gesetzesinitiativen in den Parlamenten, die eine gerechte Gesellschaft befördern, aktiv und stoisch begleitet und unterstützt hätte? Bezahlbares Leben schaffend, das Gemeinwesen fördernd, das öffentliche Leben; nicht das Geld als Mittel, die Welt zu regieren, sondern das Geld in allen Bereichen des Lebens als Türöffner verwendend. Und ja, es gibt auch Lösungen, dass dem, der den Türöffner „Geld“ nicht oder wenig besitzt, die Tür dennoch geöffnet wird. Merkel hat in keiner Rede gesagt, das behaupte ich, dass sie für ein Deutschland sorgt, in dem es keine Verlierer gibt, kein Oben und Unten. Sie schwärmt lieber von Freiheit. Leere Phrase. Frau Merkel, nur eine egalitäre Gesellschaft ist frei! Oder wie es die Franzosen an allen ihren Portalen wichtiger Gebäude stehen haben: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Das steht sicher auch nicht im Buch – eine Anzeige Mitten im Jubel über das blaue Buch über Merkels Freiheit wird bekannt, dass unsere Altkanzlerin auf einer Liste mit wichtigen deutschen Politikern steht, die von einem Berliner Bürger im Zusammenhang mit deren Handeln während der Corona-Zeit angezeigt wurden. Die von der Staatsanwaltschaft angenommene und registrierte Anzeige ist heftig formuliert, es fallen Worte wie Verdacht auf Betrug, Nötigung und gefährliche Körperverletzung. Nichts da mit „wir werden uns viel zu verzeihen haben“, wie Merkels Ex-Minister Spahn nach den Corona-Skandalen der Entscheider feige davonkommen will. Merkel und die anderen Politiker bekommen um die Ohren gehauen, dass sie Jahre voll auf das Pedal traten, die Bevölkerung im Unklaren und an der kurzen Leine hielten (auch ihre Gefolgschaft, die, denen es ja gut geht, die stillgehalten haben deswegen), dass sie von Fremdschutz sprachen, eine Impflicht durchpeitschen wollten, zur Impfung nötigen und dabei doch die Schattenseite all dessen kannten. Nebenwirkungen, Schäden, Opfer? Augen zu und durch. Die, die nicht mitmachten, nicht folgten, denen erging es schlecht. 3G, 2G usw. Nur nebenbei: In dieser Zeit wurde enorm viel Geld verdient. Stimmt: Geld. Freiheit. Gut nur, dass sich nicht wenige Menschen die Freiheit nahmen, kämpften, nicht aufgaben, anders zu handeln als von Mutti und Co. gewünscht. Trotz Pein, trotz Pression. Nix mit Basta. Endlich Zapfenstreich Zum Schluss etwas Fröhlichkeit. Die kam auf, als Kanzlerin Merkel im Dezember 2021 endlich in den Ruhestand verabschiedet wurde – und zwar mit einem zünftigen preußischen militärischen Zapfenstreich (woher nur dieses komische Wort stammt?). Nebenbei: unter 2G-Bedingungen. Darauf muss man erstmal kommen. Angela Merkel durfte sich die Musik auswählen. Sie entschied sich für Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“, Hildegard Knefs Ballade „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ und einen Choral „Großer Gott, wir loben dich“, aufgespielt vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr. Das Musiktrio: Wildheit und jugendliche Unbekümmertheit, romantische Hingabe sowie fromme Bescheidenheit – das wäre auch ein Verhaltensmuster für eine Kanzlerin gewesen, bei der ich dann das Wort „Freiheit“ als Beschreibung hätte gelten lassen. Doch stattdessen liegen viele Scherben vor ihr und uns, und diesem Haufen werden weiter täglich Scherben hinzugefegt – von ihren Nachfolgern. Titelbild: Koapan/shutterstock.com…
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1 Der Westen demontiert sich selbst: Liberalismus in Theorie und Praxis 16:15
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16:15Der Ukraine-Krieg seit Februar 2022 und die Reaktion des globalen Westens darauf läuteten eine neue Ära ein, die den Freihandelskapitalismus in Frage stellt. Die größte Gefahr für Europa besteht nun darin, dass die EU-Führung, die sich einem Krieg verschrieben hat, welcher sich als falsch erweist, nicht bereit ist, ihre Ziele und Strategien anzupassen, selbst wenn sich die internationalen Rahmenbedingungen durch den Wechsel an der US-Führungsebene ändern. Ein Beitrag von Botschafter a. D. György Varga , aus dem Ungarischen übersetzt von Éva Péli . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Liberale Grundsätze haben in den letzten Jahrzehnten als ideologische Grundlage des heutigen globalen Westens gedient. Diese Prinzipien waren für die Kräfte, die sich im gegebenen historischen und politischen Kontext für demokratische Prozesse einsetzten, weltweit annehmbar, kommunizierbar und rational vertretbar. Die zunehmende Missachtung der liberalen Grundwerte durch westliche Entscheidungsträger, die auch von konservativen Kräften wahrgenommen wird, bedroht die Stabilität der globalen Wirtschaft und der internationalen Beziehungen. Der Krieg in der Ukraine ist ein deutliches Symptom dieser Entwicklung. Zu bestimmten Zeiten wurden die liberalen Grundsätze bis zur Verabsolutierung vorangetrieben. Dabei ging es um Fragen der individuellen und kollektiven Dimension der Menschenrechte, der Unantastbarkeit des Eigentums, des Funktionierens des freien Marktes, des freien Kapitalverkehrs, der Unbeschränktheit der Information sowie der Meinungsfreiheit. Das goldene Zeitalter des Liberalismus Die Jahre des Regimewechsels in Mitteleuropa oder die vom Westen angeregten „farbigen Revolutionen“ im postsowjetischen Raum und der „arabische Frühling“ in Nordafrika können als gute Zeiten für den Liberalismus verstanden werden. In Europa haben sich die Gesellschaften der postsozialistischen, postsowjetischen und postjugoslawischen Staaten schnell liberale Prinzipien zu eigen gemacht. Die erste Hälfte der 1990er-Jahre war in Europa durch die starke parlamentarische Präsenz liberaler Parteien sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene gekennzeichnet. In den letzten gut drei Jahrzehnten dienten die liberalen Grundsätze als ideologische Grundlage des heutigen globalen Westens mit einer starken globalen Legitimität. Die westlichen Integrationsorganisationen (EU, NATO) stützten sich gerne auf sie, um ihre Ziele moralisch zu untermauern, da sie in allen Teilen der Welt leicht Unterstützung fanden. Die anfängliche Euphorie nach den Regimewechseln wich einer Phase, in der nationale und föderale Interessen zunehmend an Bedeutung gewannen. Die Folge war eine Abkehr von der konsequenten Umsetzung liberaler Prinzipien sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik. Liberalismus in der Krise Innerhalb weniger Tage nach Beginn der militärischen Intervention Russlands in der Ukraine wurden erneut westliche Sanktionen verhängt. Die zuvor verabsolutierten und gerade vom Westen favorisierten Prinzipien, die oft auch anderen auferlegt wurden und die die Grundlage für das Funktionieren des globalen internationalen Handels-, Finanz-, Verkehrs- und Energiesystems bildeten, wurden auf einen Schlag außer Kraft gesetzt. Viele der bekannten Verhaltensregeln, die dem Kapitalismus der freien Marktwirtschaft zugrunde lagen, sind seit Februar 2022 schrittweise außer Kraft getreten. Liberale Grundsätze, die der politische Westen in den vergangenen Jahrzehnten als Grundlage der internationalen Beziehungen und der kapitalistischen Weltordnung propagierte, werden nun von den gleichen Mächten selektiv angewendet oder ignoriert, um ihren zuvor absoluten Charakter zu diskreditieren. Die russische Aggression wird als Vorwand für neue Sanktionspakete gegen Russland genutzt. Dabei übersehen viele, dass diese Sanktionen nicht nur für Russland, sondern für jedes Land der Welt und für jeden Bewohner des Planeten gelten. Mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine bestraft der kollektive Westen heute alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und ihre Bevölkerungen, einschließlich seiner eigenen Bürger. Er bestraft ihre Wirtschaftsakteure, indem er das normale Funktionieren des internationalen Finanzsystems, die Nutzung der traditionellen Transportkorridore und Energierouten sowie den Zugang zu Märkten, Rohstoffen und Energieressourcen blockiert. Die Sanktionspolitik steht im völligen Widerspruch zu den Normen der liberalen Welthandelsordnung und schwächt ganz allgemein die Grundlagen des Liberalismus als ideales System und die von seinen Anhängern vorgebrachten Argumente. Hegemoniale Interessen und die Grenzen des freien Marktes Seit Jahren hören wir – vor allem als Rechtfertigung für den Ausstieg aus der russischen Energierohstoffversorgung –, Russland nutze die Energieressourcen für Erpressungen. In den westlichen Medien ist dagegen nicht zu lesen und zu hören, dass die USA das Dollar-System zur Erpressung nutzen und die betroffenen Länder sich davon abkoppeln mussten. Doch wie wird es benutzt? Indem jede Nationalbank und jede Geschäftsbank in der Welt durch US-Sanktionen in Angst gehalten wird: Kein Geldtransfer kann durchgeführt werden, ohne dass die US-Beschränkungen für Unternehmen und Privatpersonen eingehalten werden. Die Sanktionen gegen Russland werden von den „liberalen“ Staaten verhängt, die vom politischen Westen dominiert werden. Doch kein Land der Welt ist von den Folgen ausgenommen, da alle UN-Mitgliedsstaaten und ihre wirtschaftlichen und sozialen Akteure von weitreichenden Beschränkungen in Politik, Handel, Wirtschaft, Verkehr, Kultur, Sport und anderen Bereichen betroffen sind. Erpressung durch Sanktionen ist zum wichtigsten Mittel geworden, um Druck auf souveräne Länder auszuüben, damit sie sich ungeachtet ihrer verfassungsmäßigen Ordnung – notfalls auch unter Missachtung dieser – im Gehorsam gegenüber einer moralischen Überlegenheit (heiliger Krieg gegen Russland) an die von anderen aufgestellten Regeln halten. Krise des internationalen Finanzsystems Für viele Unternehmen im Außenhandel und Bankensektor sind die Folgen der Sanktionen unmittelbar spürbar. Konten werden geschlossen, einst florierende Handelsbeziehungen brechen ab. Die „werteorientierten“ Sanktionen untergraben den freien Markt, den die USA und die EU angeblich als liberalen Wert verteidigen wollen. Denn der globale Westen nimmt sich das Recht zu entscheiden, mit wem die fast 200 souveränen Staaten der Welt und deren Wirtschaftsakteure und Bürger unter den Bedingungen einer „liberalen Marktwirtschaft“ Handel treiben oder Energie und Rohstoffe kaufen können. Heute ruhen wochenlang Gelder auf Konten, die als Blutkreislauf der Marktwirtschaft dienen, und warten darauf, dass die US-amerikanischen und europäischen Behörden die notwendigen Kontrollen zur Durchsetzung der Sanktionen durchführen. Währenddessen gehen viele Unternehmen in Konkurs, weil das Problem der Überweisungen in einer bereits schweren Rezession die internationale Wirtschaftskrise weiter verschärft, die durch eine Vertrauenskrise und einen Mangel an Kapital sowie durch die Probleme der erzwungenen Marktverluste bereits gekennzeichnet ist. Europas Wirtschaft wird vor unseren Augen zerstört, und daran soll Putin schuld sein – nicht die Politiker, die auf einen europäischen Konflikt die falschen Antworten geben, die nicht an seiner Beendigung interessiert sind und die den katastrophalen Ergebnissen zusehends ihren Kurs halten und sogar beschleunigen. Abschied von den Prinzipien des Liberalismus Politiker und Parteien, die sich selbst als liberal bezeichnen, sprechen sich (samt Ungarn und Deutschland) nicht gegen die antidemokratischen, erpresserischen und anderweitig diskreditierenden liberalen Parteien aus, die die Wirtschaft Europas und der Welt ins totale Chaos führen. Nicht, weil sie in den fast drei Jahren des Krieges in der Ukraine die von der Mehrheit der Gesellschaft akzeptierten Prinzipien des Liberalismus aufgegeben haben, die nicht weit von den konservativen Werten entfernt sind und diese in einigen Fällen sogar verstärken. Im Zeichen der Verabsolutierung des Krieges in der Ukraine hat der globale Westen neue Regeln aufgestellt: Es besteht keine Notwendigkeit, die Unantastbarkeit des Eigentums zu respektieren, wenn das Eigentum russisch ist. Es besteht keine Notwendigkeit, den freien Zugang zu Informationen zu gewährleisten, wenn die Informationen russisch sind. Niemanden interessiert, dass die Verfassungen der meisten Länder im Wortlaut einen „uneingeschränkten“ Zugang zu Informationen garantieren. Das bringt den Westen auf das Niveau von Nordkorea, wo die Gesellschaft vor negativen äußeren Einflüssen „geschützt“ wird. Es besteht keine Notwendigkeit, die Freiheit des Verkehrs (Schifffahrt, Luftfahrt, Straßen- und Schienenverkehr) zu gewährleisten, wenn es um den russischen Transport von Waren oder Personen mit Russland-Bezug geht. Den Kollateralschaden, dass wir die internationalen Transport- und Verkehrssysteme, die unseren Interessen dienen, zerstört haben, soll jeder akzeptieren. Es besteht keine Notwendigkeit, die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Funktionieren der globalen Finanzsysteme (US-Dollar- und Euro-System, internationales Bankwesen, Überweisungssysteme) einzuhalten. Die Auslandsinvestitionen des russischen Volkes müssen nicht zurückgegeben werden, auch wenn sie von jemandem garantiert wurden, als sie angelegt wurden. Es ist nicht von Bedeutung, dass der daraus resultierende Vertrauensverlust in westliche Investitionssysteme den Wert der beschlagnahmten Vermögenswerte bei Weitem überwiegt. Die Rechtsstaatlichkeit kann auch selektiv durchgesetzt werden: Internationale Verträge müssen nicht eingehalten werden, wenn einer der Unterzeichner Russe ist. Die in der Verfassung versprochene Neutralität muss nicht respektiert werden, denn Neutralität stärkt angeblich Putin. Die Schweiz, Österreich, Moldawien sollten ihre verfassungsmäßigen Verpflichtungen vergessen. Wenn sie es nicht aus eigener Kraft schaffen, werden wir ihnen mit Sanktionen helfen. Wir sollten Sport und Kultur nicht getrennt von der Politik behandeln, wenn es um russische Sportler oder russische Musik, Sprache, Kunst geht. Eine wörtliche Auslegung der olympischen Idee würde Russland helfen, deshalb wenden wir sie nicht an: Russen sollten an den Olympischen Spielen nicht teilnehmen. (Diese Regel gilt nicht für die US-amerikanischen oder britischen Aggressionen, das versteht sich von selbst). Die kollektive Verantwortung entspricht westlichen Werten, wenn die russische Gesellschaft bestraft werden soll. Verabsolutierung des Krieges in der Ukraine Anstatt den Krieg zu isolieren und schnell zu beenden, hat sich der globale Westen zum Ziel gesetzt, den Konflikt zu internationalisieren und auszuweiten. Bis Ende 2024 hat die konsequente Umsetzung der sich als falsch erwiesenen Option zu beachtlichen Ergebnissen geführt: Der Westen hat die Ukraine sinnlos zerschlagen, und militärisch stehen wir kurz vor einem Weltkrieg. Der Krieg hat den inneren politischen Zusammenhalt der Europäischen Union erfolgreich gebrochen, indem er sich nicht auf Prioritäten konzentriert hat, die für die wirtschaftliche Entwicklung der EU wichtig sind, sondern auf die Unterstützung des Krieges in der Ukraine und auf Sanktionen. Die Sanktionspolitik hat die globalen Finanz-, Energie-, Verkehrs- und Handelssysteme zerstört und Milliarden Menschen auf der Erde geschädigt, wovon sie sich in Jahrzehnten nur schwer erholen werden. Der Westen selbst hat seine ehemals absoluten Prinzipien der freien Märkte, des freien Handels und der Menschenrechte in Frage gestellt und aufgehoben. Die überwältigende Mehrheit der Länder der Welt akzeptiert nicht, dass der Westen seine hegemoniale Stellung missbraucht, und das Gegenstück des globalen Westens – der „Globale Süden“ – organisiert sich zunehmend effektiver und ist auch formell mit den BRICS verbunden. Die Welt außerhalb des westlichen Einflusskreises hat viel aus den „Vorteilen“ der neuen Art von westlicher Weltordnung gelernt, die mit dem Ukraine-Krieg geltend gemacht wurde. Die vermeintlich festen Regeln des politischen Westens, insbesondere liberale und kapitalistische Prinzipien, werden oft selektiv und kontextabhängig angewendet. Notwendiger Paradigmenwechsel für die Ukraine Mit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump Anfang 2025 hat der Westen die Chance, einen Paradigmenwechsel, also eine Rückkehr zur Normalität einzuleiten. Der bevorstehende Paradigmenwechsel birgt Risiken, ist jedoch eng mit einer Beendigung des Ukraine-Krieges verknüpft. Die täglich fortgesetzte Eskalation durch westliche Akteure, die am Krieg festhalten, behindert jedoch alle Friedensbemühungen. Trump hat das gesellschaftliche Mandat, die parlamentarische und gesellschaftliche Mehrheit, um eine neue Politik gegenüber der Ukraine zu verkünden. Politisch und moralisch kann er dem globalen Schaden entgehen, den sein Vorgänger angerichtet hat. Ein Paradigmenwechsel wäre in Europa besonders wichtig. Das Haupthindernis dafür ist die Machtelite in Europa und Brüssel, deren Aktivitäten vollständig mit der Ukraine-Politik der Biden-Administration verwoben sind und die Europa auf einen Abwärtspfad bringen. Der Präsidentenwechsel in den USA bietet dieser europäischen Elite, die eine entscheidende Verantwortung für die gegenwärtige Situation trägt, auch die Chance, die Führung zu übernehmen und die notwendigen Veränderungen in Europa herbeizuführen. Zumindest aber müsste diese europäische Elite den richtigen Ausgangspunkt für den weiteren Weg setzen: Sie müsste den Fehlschlag der bisherigen Strategie eingestehen und einen neuen Weg für das Wachstum Europas ankündigen. Leider ist dies der Punkt, an dem die Wahrscheinlichkeit eines Wandels in Europa auf ein Minimum schrumpft: Trotz klarer Signale der Trump-Administration über die Notwendigkeit eines Wandels fahren die Brüsseler Eliten fort und führen das Nachhutgefecht zur Verteidigung der Biden-Administration und ihrer selbst weiter, als ob in der außenpolitischen Arena nichts geschehen wäre. Für Europa wäre eine Rückkehr zur Normalität der notwendigste Schritt, insbesondere in den internationalen Beziehungen. In normalen, demokratischen internationalen Beziehungen sanktionieren wir keine neutralen Länder für die konsequente Wahrung ihrer Neutralität. Wir nutzen das internationale Finanzsystem nicht, um unsere eigenen geopolitischen Interessen direkt voranzutreiben. Wir missbrauchen nicht die Bereiche des internationalen Finanzsystems, die wir kontrollieren, denn die dadurch verursachte Vertrauenskrise zerstört und destabilisiert das Finanzsystem, in dem der Westen (einschließlich Europa) eine herausragende Stellung einnimmt. Heute missbrauchen die USA das Dollar-System und die EU das Euro-System, wodurch sie ihren eigenen und den globalen Finanzmärkten unabsehbaren Schaden zufügen und die Entstehung alternativer Finanzsysteme (BRICS) gegen ihre objektiven Interessen beschleunigen. Zu der Normalität gehört, die Vermögenswerte anderer souveräner Staaten nicht auf der Grundlage subjektiver politischer Entscheidungen einzufrieren, denn dann kann jeder in der Welt dies entweder heute oder sobald er stark genug ist tun. Titelbild: Shutterstock / melissamn…
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1 Der Heilige Abend, an dem wir nicht zur Kirche gingen 7:17
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7:17Der Winter von 1947 auf 1948 war zwar nicht so schrecklich kalt wie die beiden vorangegangenen Winter, aber wir froren nach wie vor in unserer Barackenunterkunft und hatten nur wenig zu essen. Wie wir, lebten in dem Barackenlager vor der Stadt noch mehr als hundert Flüchtlinge und Vertriebene, die hofften, bald in ihre alte Heimat in Schlesien oder Ostpreußen zurückkehren zu können. Weihnachten rückte näher, in der Stadt war in einigen Schaufenstern mit Sternen und bunten Kugeln geschmücktes Tannengrün zu bewundern, und über die Einkaufsstraße waren ein paar kümmerliche Girlanden gespannt. Eine Nachkriegsgeschichte von Wolfgang Bittner. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Das führte allerdings nicht dazu, dass bei uns so etwas wie Weihnachtsstimmung aufkam. Mein Vater, der in den letzten Kriegstagen noch schwer verwundet worden war und erst kürzlich seine Krücken weggelegt hatte, war der Meinung, dass wir trotz allem Weihnachten feiern sollten. Das sei Tradition, sagte er, und man müsse allmählich zu normalen Verhältnissen zurückkehren. Also begann meine kleine Schwester, einen Topflappen als Geschenk für unsere Mutter zu häkeln, und ich überlegte, was es an den Feiertagen außer Kartoffeln oder Steckrüben zu essen geben könnte. Ein Festtagsbraten schwebte mir vor, aber das schien eine Illusion zu sein, denn Fleisch konnten wir uns nicht leisten. Nun hatten meine Eltern gehört, dass in der Pfarrei manchmal sogenannte Care-Pakete verteilt wurden, die von wohlmeinenden Menschen aus den USA kamen. Darin befanden sich Corned Beef, Trockenobst, Schmalz, Zucker, Mehl, Kakao, Kaffee und sonstige wertvolle Lebensmittel. Danach hatte meine Mutter bei passender Gelegenheit den Pfarrer gefragt. Doch der hatte ihr eine drastische Abfuhr erteilt: „Wer nicht regelmäßig in die Kirche kommt, so wie Sie und ihre Familie, hat keinen Anspruch auf solche Gaben“, war seine Antwort gewesen. Dennoch hatte die mitleidige Haushälterin, die auch aus Schlesien kam und meine Mutter kannte, hinter dem Rücken des Pfarrers ein paar Lebensmittel zusammengepackt: Ein Kilo Mehl, etwas Speck, eine Dose mit Pfirsichen und ein Pfund ranzig gewordene Butter. Immerhin. Es reichte, den Speisezettel für ein paar Tage aufzubessern. Damals las ich mit heißen Ohren Abenteuerromane, die im amerikanischen Westen und im kanadischen Norden spielten. Ich konnte sie für fünf Pfennige bei einem Friseur ausleihen, der in seinem Laden eine kleine Leihbibliothek eingerichtet hatte. Und manchmal stieß ich dabei auf lehrreiche Anleitungen zum Bau von Fallen und zum Auslegen von Schlingen, mit denen man wilde Tiere fangen konnte. Natürlich ging es mir nicht um Pelztiere oder Wölfe. Aber in der Nähe des Barackenlagers gab es zwischen den Feldern ein sandiges, von Disteln, Heidekraut und Büschen überwuchertes Gelände um einen von den Engländern gesprengten Bunker herum, in dem während des Kriegs Munition gelagert worden war. Dort hatte ich Kaninchen bemerkt, und dort fand ich auch eine alte Elektrospule mit Kupferdraht, aus dem sich ausgezeichnete Schlingen herstellen ließen. Inzwischen war es Mitte Dezember geworden und vereinzelt hatte es ein wenig geschneit, sodass ich die Kaninchenpfade nachverfolgen konnte. So ein Kaninchenbraten wäre ein wunderbares Weihnachtsessen, dachte ich und begann, mehrere Schlingen zu legen. Und tatsächlich hatte ich kurz vor Weihnachten Erfolg. Da mein Vater sich nicht in der Lage fühlte, meiner Beute das Fell abzuziehen, wie er sagte, bat ich einen Nachbarn, es mir zu zeigen. Kein Problem, ich zerlegte das Kaninchen, und schon am nächsten Tag, dem Heiligen Abend, brutzelten am späten Nachmittag mehrere köstlich duftende Bratenstücke in der Pfanne. Wir konnten uns nach längerer Zeit wieder einmal richtig satt essen. Zum Nachtisch gab es Pfirsichhälften aus der Dose, die meine Mutter in der Pfarrei erbettelt hatte. Wir schwelgten, und nach dem Essen bereiteten die Eltern den Heiligen Abend vor. Ein kleiner Tannenbaum, den mein Vater nachts heimlich aus dem Wald geholt hatte, wurde mit Lametta, Sternen aus Silberpapier und ein paar Kerzen geschmückt, die uns die Haushälterin des Pfarrers geschenkt hatte. Draußen schneite es ein wenig, der Heilige Abend hatte begonnen und der Weihnachtsbaum glänzte in hellem Kerzenschein. Wir sangen die alten Lieder und tranken heißen Tee mit dem erahnbaren Geschmack von Zucker. Dann wurden die Weihnachtsgeschenke ausgepackt. Erstaunlich, was da zusammenkam: Der Topflappen für die Mutter, ein geschnitzter Brieföffner und ein Paar Socken für den Vater und ein Pullover für meine Schwester, den die Mutter abends gestrickt hatte, wenn wir Kinder schon im Bett waren. Ich bekam endlich das Taschenmesser, das ich mir schon lange gewünscht hatte; außerdem ein Buch, in dem ich sofort zu lesen begann. Es handelte von einem Jungen namens Mogli, der seine Eltern verloren hatte und im Dschungel bei Wölfen aufwuchs. Ich kam den ganzen Abend nicht mehr davon los. Später beschlossen meine Eltern, zur Mitternachtsmesse in die Kirche zu gehen. „Das haben wir zu Hause immer so gemacht“, sagte meine Mutter und meinte damit: zu Hause in Schlesien. Sie wandte sich an uns Kinder und meinte: „Weil Weihnachten ist, dürft ihr ausnahmsweise länger aufbleiben und mitkommen.“ Doch meine Schwester erklärte kategorisch, dass sie nicht mitgehen werde. Was denn in sie gefahren sei, wollte unsere Mutter wissen, warum sie denn um Himmels willen nicht mit in die Kirche gehen wolle. „Das fragst du noch?“, erwiderte meine Schwester aufgebracht, wie ich sie selten gesehen hatte. „Erinnerst du dich nicht, wie dich der Pfarrer neulich abgefertigt hat, als Du nach einem Care-Paket gefragt hast? Und dem soll ich zuhören, wenn er von der Geburt des armen Jesuskindes spricht?“ Darüber wurde des Längeren diskutiert, und auch an späteren Weihnachtsfesten war das Aufbegehren meiner Schwester immer mal wieder ein ergiebiges Gesprächsthema. An diesem Heiligen Abend gingen wir jedenfalls nicht zur Kirche. Wir sangen noch “Es ist ein Ros entsprungen“ und “Stille Nacht, heilige Nacht“ und gingen eigentlich recht glücklich und miteinander versöhnt zu Bett. Über den Autor: Der Schriftsteller und Publizist Wolfgang Bittner ist Autor zahlreicher Bücher, darunter der Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“, Verlag zeitgeist 2019. Siehe auch https://wolfgangbittner.de Titelbild: Roland Oster/shutterstock.com…
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1 „Die Überlebenden werden die Toten beneiden!“ – Über den verordneten neuen Bunkerbauboom 8:43
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8:43Öffentliche Gebäude sollen zu Bunkern umgebaut und dazu eine spezielle Handy-App entwickelt werden. Die Deutschen sollen sich private Schutzräume und Überlebenspakete zulegen. Die zivile und psychologische Aufrüstung für die „kriegsbereite“ Bevölkerung ist in vollem Gange. Von Leo Ensel . Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Es begann Mitte Februar 2023 mit ausgelassenen Hüpfspielchen in der Unterwelt von Helsinki. Annalena Baerbock geriet ins Schwärmen über die „Stadt unter der Stadt“: „In Sachen Zivilschutz ist Finnland Vorreiter in Europa und Vorbild für uns alle“, tönte sie begeistert. Die unterirdischen Anlagen böten 900.000 Menschen Platz – mehr, als die Stadt Einwohner hat. Mit ihrem untrüglichen Gespür für Trends erwies sich die deutsche Außenministerin wieder mal als Avantgardistin: Spätestens seit dem unmissverständlichen Postulat von Verteidigungsminister Pistorius, Deutschland müsse kriegstüchtig werden, und dem „ Operationsplan Deutschland “ wird hierzulande wieder laut für den – öffentlichen und privaten – Bunkerbau getrommelt. Handy-App zum nächsten Bunker Und nicht nur getrommelt: Wie die Onlineplattform Telepolis kürzlich berichtete , erarbeitet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gerade einen deutschlandweiten Bunkerschutzplan und prüft, welche öffentlichen Gebäude – U-Bahnhöfe, Behördengebäude etc. – im Bedarfsfalle zu Schutzräumen umgebaut werden können. „Außerdem soll eine spezielle Handy-App entwickelt werden, mit der die Bürgerinnen und Bürger die Entfernung zum nächsten Bunker ermitteln können. Darüber hinaus wolle das BBK die Bevölkerung ermuntern, selbst Schutzräume einzurichten. Keller könnten demnach ebenso geeignet sein wie Garagen.“ Vor ein paar Tagen legte BBK-Vizepräsident René Funk noch einen drauf: Er ermahnte die Menschen in Deutschland, sich grundsätzlich auf Notlagen vorzubereiten. „Jeder deutsche Haushalt“, so Funk, „sollte so gerüstet sein, dass er sich drei Tage lang selbstständig versorgen kann.“ Neben stromunabhängigen Lichtquellen – Kerzen, Streichhölzer und batteriebetriebenen Lampen – empfahl Funk einen Vorrat von 1,5 Litern Wasser pro Tag und Person, „auch für die persönliche Hygiene“, sowie Lebensmittel für 72 Stunden. „Das können Konserven von Lebensmitteln sein, die nicht gekocht werden müssen, Nüsse, Kekse oder Salzstangen.“ Außerdem hilfreich: „Ein batterie- oder kurbelbetriebenes Radio, um sich weiter informieren zu können.“ „Ihr Vorsorgepaket“ Wer den ersten Kalten Krieg noch bewusst erlebt hat, der erlebt einen Flashback um mehr als vier Jahrzehnte. Damals veröffentlichte der Bundesverband für den Selbstschutz eine Broschüre auf Hochglanzpapier „Ihr Vorsorgepaket“. Auf 50 Seiten wurde hier ausführlich über Verhaltensregeln bei Katastrophen, Vorsorgemaßnahmen für den Energieausfall, Lebensmittel-Notgepäck und Dokumentensicherung sowie über das selbstschutzgemäße Haus informiert. Folgende Tips wurden unter anderem auch für den Atomkriegsfall gegeben: Bei Wasserknappheit nur Einweggeschirr und -besteck benutzen; Spielzeug für Kinder, Unterhaltungsspiele und Lektüre im ‚Hausschutzraum‘ bereithalten; nur Lebensmittel bevorraten, die den Essgewohnheiten der Familie entsprechen, sowie Schmierseife zum Abwaschen unbedeckter Hautstellen beim Einsatz chemischer Kampfstoffe verwenden. Unwillkürlich fragt man sich bei der erneuten Lektüre, ob nicht bald eine aktualisierte Version dieser Broschüre wieder auf den Markt kommen wird – falls das nicht bereits längst Realität ist! „Wir werden euch nicht helfen können!“ Annalena Baerbock jedenfalls, die ja einen Amtseid abgelegt hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, schlug mit ihrer fröhlichen Bunkerempfehlung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Nicht nur kurbelte die junge grüne Außenministerin die deutsche Selbstschutzindustrie gewaltig an, sie lieferte zudem das passende Gegenstück zu ihrer Forderung, deutsche Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu liefern sowie zu der von ihrem Kanzler angekündigten „Nachrüstung 2.0“. Immerhin wäre auf diese Weise die deutsche Bevölkerung ja gegen die von ihrer Regierung provozierten russischen Präventiv- oder Gegenschläge geschützt! Oder etwa nicht? Was auch nur ein „atomarer Schlagabtausch“ bereits anrichten könnte, das hat gerade Klaus-Dieter Kolenda von der Initiative „Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg“ (IPPNW) im Anschluss an den Mitherausgeber des „Bulletin of the Atomic Scientists“ – es stellte im Januar vergangenen Jahres die sogenannte „ Weltuntergangsuhr “ auf 90 Sekunden vor zwölf – Francois Diaz-Maurin ausgeführt . Wer den Mut aufbringt hinzuschauen, der sollte sich diesen Text sehr gründlich durchlesen! Und was dies für die Menschen in sogenannten Schutzbunkern bedeuten würde, das beschrieb der amerikanische Physiker Kewin Lewis bereits Anfang der Achtziger Jahre: „Wenn Massenfeuer ausbrechen, würde das Problem, im Bunker Überlebensbedingungen aufrechtzuerhalten, unlösbar erschwert. Außerdem wären Kohlenmonoxid und andere toxische Gase, die das Feuer produziert, für die Bunkerinsassen tödlich, es sei denn, es gäbe ein unabhängiges Sauerstoffreservoir. Die Erwärmung der Bunker durch Flammen und heißen Bauschutt, der noch Tage nach dem Löschen des Feuers gefährlich heiß bleiben kann, würde die Bunkerinsassen bei isolierter Atmosphäre gefährden. In Dresden tötete 1945 ein Feuersturm, der durch chemische Bomben entzündet worden war, Zehntausende Menschen. Die Bedrohung durch giftige Gase und Hitze wurde nur von denen überlebt, die die Bunker vor Ausbruch des Feuers verlassen hatten.“ An dieser Stelle drängt sich zwingend die Frage auf: Hat Frau Baerbock in der Unterwelt von Helsinki sich eigentlich mal die Mühe gemacht, sich vorzustellen, wie 900.000 Menschen unter diesen Bedingungen auch nur eine Stunde gemeinsam verbringen würden? Und was geschähe, sollten diese Menschen – gegen alle Wahrscheinlichkeit – tatsächlich doch noch einmal die strahlenverseuchte Trümmerwüste ihrer dem Erdboden gleichgemachten Stadt betreten? Ein in den Achtzigerjahren der Bevölkerungsmehrheit sehr bekannter Satz brachte es auf den Punkt, und er gilt nach wie vor: „Die Überlebenden werden die Toten beneiden!“ Die heilsam desillusionierende Konsequenz der „Ärzte gegen den Atomkrieg“ lautete: „Wir werden Euch nicht helfen können!“ Für eine „Entspannungspolitik 2.0“ Die heute wieder offensiv angepriesenen Formen des „Selbstschutzes“ – von der Bunker-App bis zum kurbelbetriebenen Radio im privaten Schutzraum – laufen also auf nichts anderes als psychologische Kriegsvorbereitung hinaus. Die Theologin Dorothee Sölle schrieb dazu in einer ähnlichen Situation 1982 (Annalena Baerbock war gerade zwei Jahre auf der Welt): „Es ist ein langsamer Prozess der Gewöhnung, eine tägliche Strahlendosis ins Gehirn, damit wir uns an das Undenkbare gewöhnen und seiner Vorbereitung willig zustimmen.“ Wirkliche Abhilfe, wirklichen Schutz schaffen kann allein die Wiederaufnahme der Diplomatie, die Rekonstruktion des Vertrauens und substanzielle Abrüstung, kurz: eine „Entspannungspolitik 2.0“ mit dem Ziel einer neuen globalen Sicherheitsstruktur nach dem Prinzip der „Gemeinsamen Sicherheit“. Und zwar nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich! Mit freundlicher Genehmigung von Globalbridge . Titelbild: Fotokon/shutterstock.com…
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Der Tayoune-Kreisverkehr liegt am südlichen Rand der offiziellen Stadtgrenze von Beirut. Doch das Beiruter Leben reicht weit darüber hinaus. Südöstlich des Kreisverkehrs liegt Ain el Rommaneh, südlich schließt sich Chiyah an und geht im Westen in den Stadtteil Ghobeiri über, der im Westen an einen großen Friedhof grenzt. Der offizielle Stadtplan von Beirut endet hier, nicht aber Beirut, das sich sehr viel weiter in die südlichen Vororte erstreckt. Von Karin Leukefeld aus Beirut. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar. Selbst das Zentrum von Beirut – Hamra – blieb von den Angriffen Israels im letzten Krieg nicht verschont, erzählt Maha, Y., die im Familienappartement in Kantari Zuflucht gesucht hatte. Das Viertel liegt nicht weit von der Ruine des Intercontinental Hotels entfernt, das im Bürgerkrieg (1975-1990) zerschossen wurde. Frau Maha leitet den Kindergarten Ghassan Kanafani im Palästinenserlager Mar Elias in Beirut, den die Autorin in den vergangenen Jahren häufig besucht hat. Neben ihrer Wohnung in Kantari sei eine Schule, in der Hunderte Inlandsvertriebene untergebracht worden seien, erinnert sie sich. „Die schmale Straße war immer belebt, Tag und Nacht waren die Menschen auf den Beinen, niemand kam zur Ruhe.“ Sie berichtet von Angriffen unweit des Parlaments, in Zokak el Blat, in Bachoura und in Basta. Am Rande des Stadtteils Mar Elias seien Häuser zerstört worden und auch in Hamra, das am nordöstlichen Rand von Beirut liegt und von der Corniche, der Küstenpromenade, umgeben ist, sei eine Rakete eingeschlagen. „As Safir wurde getroffen“, berichtet sie. As Safir ist eine der ältesten Zeitungen im Libanon, die vor wenigen Jahren das Erscheinen einstellen musste. Foto: Karin Leukefeld – Jedes Haus, das zerstört wird, hat im Umkreis bis zu acht weitere Häuser, die durch die Explosion beschädigt oder unbewohnbar gemacht werden. Die Kindergärten in den Lagern seien weitgehend verschont geblieben, sagt Frau Maha. Lediglich im Lager Rashidiyeh im Süden des Landes, bei Tyros, habe es Schäden am Dach und an den Fenstern gegeben. Sie zeigt Fotos auf ihrem Handy. Teile der Decke sind heruntergefallen, die Fenster bestehen aus dicken Glasbausteinen und weisen starke Risse auf. „Niemand wurde verletzt, alle waren evakuiert worden“, sagt Frau Maha. Doch nun sei es schwierig, die Fenster zu ersetzen. Glas muss importiert werden und der Preis für Glas hat sich – auch wegen der enormen Nachfrage – mit dem Tag der Waffenruhe vervierfacht. Die stabilen Glasbausteine seien derzeit gar nicht zu haben. Vom Hof ertönt lautes Rufen und Lachen der Kinder im Mar-Elias-Kindergarten Kanafani. „Vor drei Tagen, am vergangenen Montag, haben wir den Kindergarten wieder geöffnet. Die Kinder waren außer sich vor Freude, wieder hier sein zu können,“ sagt Frau Maha und auch ihr ist die Freude anzusehen. Nein, nicht alle Kinder seien zurückgekommen, räumt sie auf Nachfrage ein: „Die syrischen Kinder kamen nicht zurück, sie sind jetzt mit ihren Familien nach Syrien zurückgegangen.“ Und nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Mal sehen, ob sie wieder zurückkommen.“ „Einfach klicken und es schießt“ Am nächsten Tag sieht die Autorin selbst bei dem Gebäude der Zeitung As Safir vorbei, das von einer israelischen Rakete getroffen worden sein soll. Heil und unversehrt steht es in der schmalen Sackgasse. Ein Friseur kommt aus seinem Laden und berichtet, dass die israelische Rakete nicht bei As Safir , sondern wenige hundert Meter weiter Richtung Hamra-Straße einschlagen sei. Er sucht auf seinem Handy nach einem Videoclip, der den Angriff dokumentiert. Dann läuft er mit der Autorin vor zur Straße und zeigt ihr das Gebäude, das als „Swiss Bank“ bekannt ist. Es liegt an einer Kreuzung von schmalen Straßen, gegenüber einer Tankstelle. „Nichts ist hier“, sagt der Friseur. „Nur Wohn- und Geschäftshäuser, das weiß jeder.“ Israel seien offenbar die Ziele ausgegangen, die Angriffe hätten nur die Bevölkerung einschüchtern sollen. Auf dem Videoclip ist ein brennendes Geschoss zu sehen, das aus der Straße kommt, die an der Tankstelle vorbeiführt. Kaum eine Sekunde dauert es, dann schlägt es direkt in dem Eingangsbereich des Gebäudes ein. Abgeschossen wurde die Rakete offenbar von einer Drohne, die sich durch die engen Straßen bewegt haben muss, bis sie das eingegebene Ziel auf dem Monitor fand und feuerte. „Es ist wie ein Spiel“, sagte der Verkäufer der spanischen Firma Everest in einem Interview mit der Autorin vor einigen Jahren auf der IDEX, der größten Waffenmesse der Welt, die alle zwei Jahre in Abu Dhabi stattfindet. Everest sei die einzige Firma auf der Messe, die diese leichten Drohnen anböten. Anders als Beobachtungsdrohnen seien ihre Drohnen „Kampfdrohen“, also bewaffnet, je nachdem, wie die Kunden es haben wollten. Die Drohnen seien für den urbanen Kampf geeignet, den Krieg in Städten, den es in Zukunft immer mehr geben werde. „Leider“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Doch das sei ihr Geschäftsmodell. Die Drohnen seien sehr leicht zu handhaben, es sei wie ein Spiel: „Einfach klicken und es schießt.“ Interview zu sehen in der Dokumentation „Was von Kriegen übrig bleibt“: Tayoune-Kreisverkehr Unweit des Tayoune-Kreisverkehrs liegt das Geschäft von Walid Shourbaji, einem Import-Export-Händler für Süßwarenrohstoffe. Der Laden liegt im Parterre eines Appartement-Hochhauses, rechts und links sind weitere Geschäfte. Die Nachbarhäuser, in deren oberen Stockwerken ebenfalls Wohnungen waren, sind von israelischen Raketen zu großen Trümmerhaufen zerbombt worden. Sie sei nicht da gewesen, als das passiert sei, sagt Safa Shourbaji, die Tochter des Firmengründers. Sie sitzt hinter einem großen Schreibtisch und gibt bereitwillig Auskunft, Fotos möchte sie nicht. Es habe Warnungen gegeben, daher hätten sie die Gegend verlassen, sagt Frau Shourbaji. Sie wisse nicht, warum die Häuser bombardiert worden seien. „Wir haben hier mit niemandem was zu tun. Wir kommen am Morgen und gehen abends, wir sind nur zur Arbeit hier“, fährt sie fort. Als ihr Vater die Firma vor 40 Jahren gegründet habe, sei die Gegend kaum bebaut gewesen. Die neu entstandenen Gebiete südlich der Stadtgrenze kenne sie nicht. „Ehrlich gesagt, ich habe mich nie getraut, dorthin zu gehen“, sagt sie, ohne das weiter auszuführen. Der Nachfrage, ob sie Angst vor den Gebieten habe, weicht sie aus und wiederholt: „Wir sprechen mit niemandem, wir haben nur unser Geschäft hier.“ Shourbaji importiert Rohstoffe für Süßwaren, für Bäckereien und Konditoreien, sagt sie, aus Deutschland, Frankreich, Brasilien. Durch die Explosionen sei die Fensterfront zerstört worden. „Wir haben gleich nach der ersten Explosion die Glasfront erneuert, dann kam der zweite Angriff“, sagt sie und lacht bitter. „Das war natürlich teuer, dass wir gleich wieder neue Scheiben einbauen mussten.“ Niemand sei zu Schaden gekommen, das sei das Wichtigste. Als Kind habe sie den Bürgerkrieg erlebt, damals sei hier die „Grüne Linie“ verlaufen, eine Art Frontlinie zwischen den verfeindeten Seiten. „Ich war ein Kind und alle Lehrer in unserer Schule waren Franzosen. Wir haben Französisch gelernt und gesprochen, alles ist heute anders.“ Der Bürgerkrieg habe sie traumatisiert und alles, was sie wisse, sei, dass „dieses Land mir nie Stabilität gegeben hat.“ Sie empfinde nichts für das Land und stelle sich immer wieder die Frage, ob sie Libanon nicht verlassen sollten. Der Sohn sei in Dubai, sicher werde sie auch die Tochter eines Tages in die Ferne zum Studium schicken. „Alles, was ich will, ist ein friedliches Leben für mich und meine Kinder, für meine Familie.“ Allem anderen gegenüber sei sie wie betäubt. „Vielleicht glauben Sie mir nicht, ich selber verstehe es auch nicht und finde es merkwürdig, doch so ist das.“ Der Geschäftsbetrieb habe unter dem Krieg gelitten. Die Nachfrage sei zurückgegangen, aber „wir können weiterarbeiten und müssen niemanden entlassen. Unser Betrieb ist bekannt, im In- und Ausland, man schätzt uns, weil wir klar und genau arbeiten. Die Kunden wollen zuverlässige Geschäftspartner und das sind wir.“ Ain el Rommaneh Nur wenige hundert Meter weiter steht an der Straße Richtung Chiyah ein Karren am Straßenrand, der über und über mit Artischocken und Avocados beladen ist. Hinter dem Karren erhebt sich ein mehrstöckiges Bürogebäude, dessen oberste Etage von einem israelischen Raketenangriff zerstört wurde. Neben dem Karren steht ein Mann mit Schirmmütze und knallrotem Pulli. Er heiße Ali, stellt er sich vor, als die Autorin ihn bittet, ein Foto machen zu dürfen. „Ich habe acht Jahre in Deutschland gewohnt und in einem Restaurant gearbeitet“, fügt er dann in Deutsch hinzu und strahlt in die Kamera. Als die Rakete in dem Geschäftshaus eingeschlagen sei, sei er nicht dagewesen: „Die Menschen hier wurden evakuiert, alles war leer.“ Foto: Karin Leukefeld – Der Straßenhänder Ali hat – wie viele Libanesen – auch in Deutschland gearbeitet. Im Hintergrund ein zerstörtes Geschäftshaus. Östlich der Straße liegt Ain el Rommaneh. Das zerstörte Dach des Geschäftsgebäudes ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen, ein Teil der Trümmer ragt über die Außenmauer des Gebäudes auf die Straße hinaus. Bizarr erhebt sich darüber ein Aufbau mit Sonnenkollektoren und Wassertanks unbeschädigt in den Himmel. Vor dem Gebäude spricht eine Gruppe Techniker mit den Ladeninhabern. Es werden Namen und Daten aufgenommen, der ungefähre Schaden notiert und welche Zerstörungen es im Einzelnen gibt. Keiner der Läden im Parterre hat noch Fenster. Die Besitzer haben einfach die Gitter heruntergelassen, die normalerweise nachts die Läden schützen sollen. Einige der zerstörten Fronten sind mit gelbem Band abgesperrt. Der Schönheitssalon von Bilal Harb ist in den leerstehenden Nebenraum umgezogen. Wo einst Glasfenster waren, ist Plastikplane gespannt. Foto: Karin Leukefeld – Ende eines Familienprojekts. Der Innenraum des Café Kayan ist mit Glassplittern übersät. Ein Mann tritt aus einem der Läden und fragt Hamza, den Begleiter der Autorin, auf Arabisch: „Was will sie?“ Hamza erklärt und der Mann fragt, ob sie einen Ausweis habe. Genau studiert er dann das Schreiben des Informationsministeriums und sagt schließlich in bestem Englisch: „Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen etwas“. Er geht voraus um die Hausecke und weist auf ein Schild. „Café Kayan“ ist darauf zu lesen. Die Außenanlage ist teilweise zerstört. Der Zaun steht zusammengefaltet und mit einer Lichterkette geschmückt gegen einen Pfahl gelehnt. Das Gitter vor dem Café ist heruntergelassen, das Innere des Cafés ist mit Glassplittern übersät. Die Teeküche, die Tische und Stühle, die liebevoll gefertigte Dekoration, alles ist mit Staub, Glassplittern und Steinen bedeckt. Der Mann, der sich als Osama Hassan vorstellt, sagt, er habe das Café einen Monat vor dem Krieg eröffnet. Seine Töchter hätten ihm geholfen, es sei wie ein „Familienprojekt“ gewesen. Er habe das Café in der Nähe der Töchter eröffnet, um nah bei seinen Enkelkindern zu sein. Er selber sei als Kind in England aufgewachsen und habe später 30 Jahre in den Golfstaaten gearbeitet. Mit dem Café habe er sich zur Ruhe setzen wollen, nachdem er sein ganzes Leben gearbeitet habe, damit es der Familie gut gehe. Nun habe er sein Auto verkaufen müssen, um die Familie zu unterstützen, die in den Bergen eine Unterkunft gefunden habe. Er habe Unterstützung beantragt, um das Café zu reparieren, aber auch ihre Wohnung in Dakhiye in den südlichen Vororten sei zerstört. „Mein Vater kommt aus Khiam im Südlibanon, unser Elternhaus ist zerstört. Meine Mutter ist aus Burj Brajneh, das auch schwer bombardiert wurde.“ Foto: Karin Leukefeld – Der Auszug zeigt das zerstörte Dach eines Geschäftshauses in Ain el Rommaneh. Die Hisbollah hat der Bevölkerung Ausgleichszahlungen für ihre Verluste zugesagt. Auch Osama Hassan hat sich dafür registrieren lassen. Wer eine Mietwohnung in Beirut hatte, die zerstört wurde, erhält 6.000 US-Dollar, was etwa einer Jahresmiete in Beirut entspricht. Dazu gibt es 8.000 US-Dollar für die Einrichtung. Wer auf dem Land in einer Mietwohnung lebte, erhält 4.000 US-Dollar und ebenfalls 8.000 USD für Möbel. Wer ein eigenes Haus besitzt, das zerstört oder beschädigt wurde, muss die Rechnungen für Reparaturarbeiten vorlegen, die ihm dann ersetzt werden. Osama Hassan wirkt bedrückt. In einem Krieg müsse unterschieden werden zwischen Zivilisten und bewaffneten Soldaten. Hier lebten nur Zivilisten, hier gäbe es weder Waffendepots noch Kommandozentralen. Der Krieg sei ein Geschäft für die Waffenhändler. „Wir sterben und sie investieren mit ihrem Geld in Land und Grundbesitz.“ Für ihn sei die Lage hoffnungslos, sagt er: „Alle Türen sind geschlossen, alles ist tot.“ Es sei, als würden sie nicht als Menschen betrachtet, die ein Recht auf Leben hätten. „Wir wollen in Ruhe leben, unsere Kinder erziehen und ihnen eine gute Ausbildung geben, das ist alles“, sagt er. Die Libanesen lebten seit Jahren ohne Präsident und ohne eine Regierung, aber sie lebten und arbeiteten. „Wir freuen uns über das Leben, wir reisen, wir investieren, wir machen Geschäfte. Immer denken wir an die Zukunft, an unsere Kinder, die es einmal besser haben sollen. Wir lieben unser Land.“ Alle Bilder: © Karin Leukefeld…
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